Mischhirja/Wien - "Alle haben Angst." Das ist die Kurze Diagnose des Arztes Wasyl Tsar zur Stimmung im Kreis Mischhirja der Region (Oblast) Transkarpatien im äußersten Südwesten der Ukraine vor den Parlamentswahlen am kommenden Sonntag.

Tsar ist unabhängiger Abgeordneter im Regionalparlament und unterstützt diesmal die Vereinigte Opposition der inhaftierten Exregierungschefin Julia Timoschenko. Ende 2011 wurde er als ärztlicher Leiter des Kreiskrankenhauses entlassen. Er klagte bei Gericht und bekam inzwischen zum sechsten Mal recht. Dennoch erhält er seit Monaten kein Gehalt. Seine Familie werde unter Druck gesetzt, seine Tochter werde deshalb mit ihren beiden Kindern das Land verlassen, sagt Tsar im Gespräch mit dem STANDARD.

Den "Wahlkampf" der regierenden Partei der Regionen schildert Tsar so: Vertrauensleute der Partei ("schreckliche Banditen") kommen in Schulen, Ämter, Spitäler, Polizeistationen und fragen die Bediensteten, wie viele Wahlberechtigte es in ihrer Familie gebe. Dann werden sie aufgefordert, mit der genannten Zahl an Wahlberechtigten im Wahllokal zu erscheinen und die Partei der Regionen zu wählen. Zum Beweis müssten sie den Wahlzettel einem Partei-Vertrauensmann zeigen, bevor sie ihn in die Urne werfen. Für den Fall, dass sie nicht die Regierungspartei ankreuzen, wird ihnen mit Entlassung gedroht. Tsar: "Die Methode der Machthaber ist, Angst zu machen."

Hilfe aus Österreich

Der erfolgreiche Chirurg ist den Machthabern offenbar nicht nur wegen seines politischen Engagements ein Dorn im Auge, sondern auch, weil er das Kreiskrankenhaus mit ausländischer Hilfe modernisiert hat und damit bei der Bevölkerung sehr beliebt wurde. So wurde die wirksame, aber teure Therapie von Kindern mit angeborener, zerebral bedingter Kinderlähmung erst durch finanzielle Unterstützung der Wiener Ordensspitäler möglich. Die Gemeinde Wien wiederum beteiligte sich finanziell an der Realisierung eines Musterprojekts zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation der Roma-Frauen. (jk, DER STANDARD, 23.10.2012)