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Millionen von Akten über das Privatleben der DDR-Bürger hat die Stasi einst in ihren Archiven angelegt. Kann es sein, dass zukünftige Datenschutzbehörden ähnliche Rechte erhalten?

Foto: Reuters/Arnd Wiegmann

Der Richtlinienentwurf der EU-Kommission zum Datenschutz sieht mächtige Behörden mit umfassenden Einsichts- und Veröffentlichungsrechten vor, vor denen selbst das Anwaltsgeheimnis nicht sicher ist. Europas Rechtsanwälte machen dagegen mobil.

 

Vergangene Woche hat der Europäische Gerichtshof Österreich verurteilt, weil die Datenschutzkommission nicht unabhängig ist. Das Drängen der Union auf machtvolle Einrichtungen beim Datenschutz geht aber weiter. In dem vor kurzem veröffentlichten Entwurf für eine Generelle Datenschutzrichtlinie fordert die EU-Kommission die Einführung einer nationalen Datenschutzbehördehen, die mit umfassenden Befugnissen ausgestattet sein soll.

So kommt dieser Behörde ein umfangreiches Einsichtsrecht in sämtliche verarbeitete Daten zu, sie kann einzelnen natürlichen oder juristischen Personen die elektronische Datenverarbeitung verbieten und darf auch behauptete Täter bei Verstößen gegen die Richtlinie mittels "naming and shaming" an den öffentlichen Pranger stellen.

Teufel steckt im Detail

Auf den ersten Blick erscheint die Einführung einer solchen Kontrollbehörde begrüßenswert. Insbesondere wenn man die teilweise doch recht zahnlosen aktuellen nationalen Regelungen in der EU betrachtet. Aber - der Teufel steckt auch hier im Detail:

Die Verfasser des Richtlinienentwurfes haben, ob gewollt oder ungewollt, in diesem Entwurf keinerlei Vorkehrungen für den Schutz von Berufs-, Unternehmens- oder auch Staatsgeheimnissen getroffen. Dies bedeutet, dass die Datenschutzbehörde eine - mit bis dato in demokratischen Rechtsstaaten nie gesehenen Machtbefugnissen ausgestattete - " Superschnüffelbehörde" wird, die den Neid so mancher Stasi- Generäle geweckt hätte.

Jeder EU-Bürger muss nach diesem Entwurf fürchten, dass das, was er seinem Arzt, Anwalt oder Steuerberater anvertraut hat, von dieser Behörde im Rahmen einer Datenschutzüberprüfung gelesen, weitergegeben und im Fall eines Datenschutzverstoßes möglicherweise sogar detailliert veröffentlicht wird. Gerade das Anwaltsgeheimnis, das höchstpersönliche Daten der Klienten vor jedem Zugriff schützt, wird dadurch ausgehebelt.

Diese Vertraulichkeit ist eine der Grundsäulen der Beziehung zwischen den Rechtsanwälten und ihren Klienten, aber auch seit Jahrhunderten ein Grundrecht jedes Bürgers. Es muss in jedem Rechtsstaat auch nach Inkrafttreten dieser Datenschutzrichtlinie nicht nur ein "Recht auf Vergessenwerden", sondern auch ein "Recht auf Schutz meiner höchstpersönlichen Daten vor allen, insbesondere vor dem Staat" geben.

Die Europäischen Anwälte haben diese Gefahr für ihre Kunden erkannt. Sie werden im Rahmen der Europäischen Anwaltsvereinigung (CCBE) massiv gegen diesen Angriff auf die Rechte der EU-Bürger eintreten. Eine entsprechende Stellungnahme wurde bereits ausgearbeitet. In dieser wird verlangt, dass die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht nicht durch die Datenschutzbehörde durchbrochen und durch den Richtlinienentwurf ausgehebelt werden darf. Der sicherlich notwendige Schutz jener Daten, die bei Europas Anwälten verarbeitet werden, soll zweifelsfrei kontrolliert werden dürfen - aber nur durch Personen, die auch der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen.

Es muss daher weiterhin die Regel gelten, dass Informationen und Daten, die an einen Anwalt weitergegeben werden, weiterhin geschützt und sicher sind. Es kann für das Anwaltsgeheimnis nichts anderes gelten als für das Beichtgeheimnis. Dieses wird durch den Richtlinienentwurf gewahrt: Artikel 85 nimmt die Kirchen ausdrücklich vom Machtbereich der Datenschutzbehörden aus. (Mathias Preuschl, DER STANDARD, 24.10.2012)