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Der Mensch "mausert" nicht. "Ein dicker und dünner Werden der Kopfbehaarung gibt es meines Wissens nach nur bedingt", sagt die Dermatologin Daisy Kopera.

Foto: APA/dpa/Martin Gerten

Der Herbst ist für zahlreiche Menschen beiderlei Geschlechts von "Bad Hair Days" geprägt: "Es passiert mir jedes Jahr und ist jedes Mal beängstigend: Im Herbst bekomme ich Haarausfall. Dann ist die Bürste voll, hundert Haare und mehr fallen aus. Zum Glück ist der Spuk im November wieder vorbei. Wer von Euch kennt das?", lautet ein Hilferuf in einem deutschen Forum.

"Mir hat mal ein Friseur gesagt: 'Im Herbst fallen auch die Blätter von den Bäumen, da ist Haarausfall beim Menschen ganz normal'", spendet ein Betroffener Trost. "Im Herbst verliert man wirklich viel mehr Haare. Auch meine 16-jährige Katze haart sich schon seit Tagen", stellt eine weitere Forum-Stimme eine Winterpelz-Analogie zum Tierreich her.

Die Nachwirkung des Sommers

"Brauchen wir Menschen ein Winterfell?", fragen wir die Leiterin der Klinischen Abteilung für Allgemeine Dermatologie im LKH Universitätsklinikum Graz, Daisy Kopera: "Bei den Tieren ist der Fellwechsel eine Tatsache und macht Sinn. Auf den Menschen bezogen ist der direkte Vergleich mit dem Fellwechsel ein Volksglaube", stellt die Dermatologin aus trichologischer Perspektive fest. Die Trichologie widmet sich als ein Teilgebiet der kosmetischen Dermatologie der Kopfhaut, den Haaren und den Haarwurzeln. "Ein dicker und dünner Werden der Kopfbehaarung gibt es meines Wissens nach nur bedingt", sagt Kopera. Eine regelrechte "Mauser" beim Menschen identifiziert sie als Zufallsbeobachtung oder als Spätwirkung auf verschiedenste Einwirkungen der vergangenen Monate.

So könne verstärkter Haarausfall im Herbst auf die erhöhte Sonnenexposition von Kopfhaut und Haaren in den Sommermonaten zurückzuführen sein, aber ebenso mit Stresssituationen im neuen Arbeitsjahr zusammenhängen; Haarverlust im Frühjahr kann dagegen auf Mangelzuständen im Winter oder auf Nachwirkungen der Winterdepression beruhen. Mit den natürlichen Haarwachstumsphasen sei der saisonale Haarverlust jedenfalls nicht erklärbar.

Natürlicher Haar-Zyklus

Das entspricht den Erkenntnissen einer französischen Forschungsgruppe, die 1996 den natürlichen Haarwachstumsphasen und dem periodischen Haarausfall auf den Grund ging.

Das Wachstum des Haares folgt einem Zyklus: Eine Haarwurzel geht in die Wachstumsphase (Anagenphase) und produziert ein Haar. Am Kopf dauert diese Phase vier bis sechs Jahre, dann geht die Haarwurzel "zur Erholung" in die Ruhephase (Telogenphase). Das bestehende Haar wird abgestoßen und fällt aus. Nach zwei bis vier Monaten geht die Haarwurzel normalerweise in eine neue Wachstumsphase. Mechanische Einwirkungen, wie Waschen, Bürsten und Kämmen, bringt die locker in der Kopfhaut sitzenden Telogenhaare zum Ausfallen. Darüber hinaus können verschiedenste Zustände des Körpers, wie etwa Krankheiten, zu einer verlängerten Ruhephase und einem verlangsamten Nachwachsen der Haare führen. Trifft dies zu, werden die Haare schütter.

Bei zehn Männern wurde im Rahmen der Studie über einen Zeitraum zwischen acht und 14 Jahren regelmäßig an derselben Stelle des Kopfes der Anteil der Haare in der Telogenphase mittels Phototrichogramm bestimmt. Dabei kristallisierte sich eine jahreszeitliche Periodik heraus: Im Spätsommer und Herbst war der Anteil der ausfallenden Telogen-Haare am größten. Als ausschlaggebend für den herbstlichen Haarverlust gilt die Intensität der Sonnenbestrahlung in den Sommermonaten: je intensiver, desto stärker der Haarausfall. Bei einigen Teilnehmern konnte im Frühjahr ein zweiter Gipfel registriert werden.

Täglich bis zu 100 Haare

Ein Verlust von täglich bis zu 100 Haaren gilt als unbedenklich. Sind es über einen längeren Beobachtungszeitraum mehr, ist ein Besuch beim Dermatologen angesagt. "Hundert Haare können je nach Haarlänge und -struktur nach viel ausschauen", gibt Daisy Kopera zu bedenken. Darüber hinaus verliert man beim Haarewaschen mehr Haare als an anderen Tagen, weshalb Friseure zuweilen teure Haarkuren empfehlen.

Doch nur wenige Mittel halten, was sie versprechen: "Es gibt hunderte Mittel, denen nachgesagt wird, dass sie wirken. Dennoch sind sie mit Vorsicht zu genießen", sagt Kopera, "denn für die meisten gibt es keine placebokontrollierten wissenschaftlichen Studienergebnisse." Als wirksam gilt zum Beispiel Biotin (Vitamin H), wobei es sich allerdings nicht um ein Haarwuchsmittel, sondern um einen Haarstrukturverbesserer handelt. Generell sind laut Kopera Mittel zur Anregung des Haarwachstums meistens in Alkohol gelöst und führen bei längerer Anwendung zum Austrocknen der Kopfhaut und zu Schuppenbildung. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 24.10.2012)