Immer wenn Politiker sagen, ihre Rede sei keine Wahlkampfrede gewesen, befindet man sich mitten im Wahlkampf. Michael Spindeleggers Rede am Mittwoch war ein Vorgeschmack auf das, was das Wahlvolk künftig erwartet. Die "Impulse", die der ÖVP-Chef präsentierte, waren zum Großteil eine Zusammenfassung und Einzementierung der bisherigen ÖVP-Linie. Das Neue an der Veranstaltung: Man hatte das Gefühl, dass nicht wie üblich der Koalitionspartner SPÖ als größter Gegner angeprangert wird, sondern die neue Partei von Frank Stronach.
Es gebe in Österreich nur eine Partei, die sich um die Wirtschaft kümmere, sagte Spindelegger in Richtung potenzieller schwarzer Schäfchen, die sich von den "Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft"-Sprüchen des Austrokanadiers angesprochen fühlen. Mehrfach erwähnte der ÖVP-Chef in der Rede auch, dass die ÖVP für mehr Mitarbeiterbeteiligung in Unternehmen stehe. Dabei handelt es sich um einen der wenigen bisher festzumachenden "Werte" von Frank Stronach. Auch diese Mitarbeiterbeteiligung versuchte Spindelegger als neuen Impuls zu verkaufen. Allerdings stand dieser Impuls schon im rot-schwarzen Regierungsprogramm aus dem Jahr 2008. Wer, wenn nicht die ÖVP wäre für die Umsetzung zuständig gewesen?
WWW gegen WTF: "Wirtschaft, Wachstum, Werte" war der Titel der Spindelegger-Rede, "Wahrheit, Transparenz und Fairness" heißt es bei Stronach. Die Bemühungen der ÖVP zeigen, wie ernst der neue Konkurrent genommen wird. Auch wenn die Ansprache am Mittwoch mit Ausnahme der Liebeserklärung Spindeleggers an Fekter ("Zwischen uns passt kein Löschblatt", "Du hast eine unglaublich stürmische Art") nicht besonders prickelnd war: Die ehemalige Großpartei tut gut daran, sich jetzt schon mit dem Polit-Aufsteiger zu beschäftigen. Die SPÖ, die bisher auf "Nicht einmal ignorieren" setzt, könnte das noch bitter bereuen. (Rainer Schüller, derStandard.at, 24.10.2012)