Vor rund zehn Jahren forderte Bildungsministerin Elisabeth Gehrer die Maturantinnen und Maturanten Österreichs auf, den Traum vom Lehrer- oder Arzt-Dasein platzen zu lassen. Stattdessen sollten die Achtzehnjährigen lieber Informationstechniker werden. Oder Ingenieur.
Aber auch Lehrerinnen und Lehrer gehen mal in Pension, und nur wenige Jahre später werden Lehramts-Absolventinnen und Absolventen händeringend gesucht. Außerhalb von größeren Städten spricht man von einem Ärztemangel. Seit der etwas danebengegangen Studium-Empfehlung halten sich zuständige Minister mit allzu genauen Jobprognosen zurück. Zu riskant. Nach Wirtschaftskrise und geplatzter Dotcom-Blase weiß keiner mehr so recht, welcher Job in zehn Jahren noch gefragt sein wird.
Bloß nicht Publizistik!
Nur eines scheint sicher: Mit Geisteswissenschaften kann man kaum etwas reißen. Generell heißt es: Je technischer die Ausbildung, desto besser. Je publizistischer, desto schlechter. Überhaupt Publizistik, das Stiefkind der universitären Ausbildung. "Damit findest Du doch nie einen Job", tönt es von allen Seiten, wenn jemand wagt, nach der Schule Kommunikationswissenschaften zu inskribieren. Und die Statistik gibt den Kritikern Recht: Im September 2010 waren ganze vier Stellen für Absolventen der Publizistik ausgeschrieben. Eindeutig zu wenig für die rund 519 jungen Menschen, die das Studium jährlich beenden.
Bleibt also nur der Job als promovierter Taxifahrer? Nicht unbedingt. Kaum ein Geisteswissenschaftler studiert mit der Motivation, nach der Sponsion eine lebenslange Anstellung zu erhalten. Viel eher zeichnet er sich durch seine Anpassungsfähigkeit aus - und wo keine festgelegten Berufsfelder sind, da sind auch Nischen, wo Publizist & Co sich entfalten kann. Das große Manko ist und bleibt allerdings das liebe Geld. Viele Geisteswissenschaftler sind freiberuflich unterwegs und verdienen erheblich weniger als ihre akademischen Kollegen von der rechts- oder wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.
Soft Skills
Apropos Jus. Das scheint ein krisensicheres Studium zu sein, auch die Bedarfsentwicklung bis ins Jahr 2016 prognostiziert rosige Zeiten für Anwälte, Richter und Notare. Besonders gut steht aber gerade ein FH-Studiengang in punkto Berufschancen da: Angewandte Elektronik. Wer sich also für die Automatisierung von Geschäftsprozessen in Produktions- und Dienstleistungsbereichen oder für technische Gesamtlösungen für alternative Energie- und Abfallsysteme interessiert, kann aus zahlreichen Jobangeboten wählen. Da scheinen auch Soft Skills keine Rolle mehr zu spielen, die neben einem (gut) bestandenen Studium von Uni-Absolventen abverlangt werden. Wer in den Bereichen Eigeninitiative, Kommunikations- und Teamfähigkeit punkten kann, hat bei Unternehmern die besseren Karten. Auch Praktika und Fremdsprachenkenntnisse runden eine Studienkarriere ab.
Unter den Top 20 der Studien, die gute Berufschancen versprechen, zählen auch Pharmazie, Veterinärmedizin und Bauingenieurwesen. Weniger gut schaut es laut "Karriere Index:Wirtschaft" in den Bereichen Architektur, Psychologie und Sozialarbeit aus. Gerade im letzteren Bereich wären zwar viele qualifizierte Arbeitskräfte nötig, aufgrund von Einsparungen wird jedoch dem tatsächlichen Personalbedarf nicht Rechnung getragen. Manche Sozialarbeiter sind zuerst ehrenamtlich oder geringfügig beschäftigt. In der Hoffnung auf eine Anstellung später.
Viel Meinung, wenig Nutzen?
Auch Politikwissenschaftler sehen sich oft gezwungen, ihr Studienfach zu rechtfertigen. Man kann sagen, das war fast schon immer so. 1968 fasste Helmut Schmidt, Volkswirt und spätere Bundeskanzler Deutschlands, zusammen, was noch heute viele denken: "Wir haben zu viele Soziologen und Politologen. Wir brauchen viel mehr Studenten, die sich für anständige Berufe entscheiden, die der Gesellschaft auch nützen." Nicht unbedingt das beste Image, das den Sozialwissenschaften anhaftet.
Wer sich von diesem Legitimationsdruck nicht unterkriegen lässt und mit einem guten Nervenkostüm ausgestattet ist, der sollte ins kalte Wasser springen und sich in seinem Herzensstudium versuchen. Kurze Arbeitsverträge, häufiger Jobwechsel und vor allem: keine Job-Ausschreibung, in der explizit nach Politologen gesucht werden. Umso wichtiger ist hier das Netzwerken, und zwar bereits während des Studiums.
Allerdings können in Österreich auch promovierte Biochemiker nicht unbedingt mit fixen Jobs rechnen. Oft ist ihr Spezialgebiet so eng begrenzt, dass sie nur an ausländischen Unis wissenschaftlich Fuß fassen können - und auch da nur befristet. (Karin Jirku, derStandard.at, 28.10.2012)