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Mitglieder des FARC-Verhandlungsteams in Norwegen: Jesus Santrich (li.), Iván Márquez and Ricardo Tellez (re.).

Foto: Audun Braastad / NTB scanpix/AP/dapd

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Die Kirche von Bojaya wurde am 8. Mai 2002 von einer sprengstoffgefüllten Gasflasche getroffen, die FARC-Guerillas aus einem improvisierten Mörser auf Paramilitärs abgefeuert hatten. In dem Gebäude hatten bis zu 300 Menschen Zuflucht gesucht, 119 wurden getötet.

Foto: EPA/AFPI/LUIS ACOSTA

Nach einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg haben die kolumbianische Regierung und die linke FARC-Guerilla Mitte Oktober Friedensverhandlungen im norwegischen Oslo begonnen. Offiziellen Angaben zufolge hat der Konflikt bisher 600.000 Todesopfer gefordert, 3,7 Millionen Menschen mussten vor der Gewalt fliehen.

FARC-Sprecher Luciano Marín (Kriegsname: "Iván Márquez") gab sich bei der gemeinsamen Pressekonferenz nach der ersten Verhandlungsrunde vorsichtig optimistisch, warnte aber gleichzeitig vor allzu großen Hoffnungen: ein "Express-Frieden" führe lediglich "in die Abgründe der Frustration", betonte der Guerillakommandant.

Auf der Liste, die die Verhandler durcharbeiten wollen, stehen zahlreiche Punkte, es gilt, die Interessen verschiedener Gruppen zu berücksichtigen.

Unternehmer gegen Landreform

So gelte es, soziale Ungerechtigkeiten zu beenden, die die Hauptursache des Konflikts darstellte, sagte Márquez. Der Guerillakommandant betonte dabei Notwendigkeit einer umfassenden Landreform. Derzeit besäßen 0,4 Prozent der Bevölkerung 61,2 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen. Er betonte, dass die FARC "als bäuerliche Antwort auf die Großgrundbesitzer" entstanden sei.

Umgehend meldete sich der kolumbianische Unternehmerverband zu Wort und erklärte, die Guerilla habe sich nicht zu Themen zu äußern, die ausschließlich in der Zuständigkeit des Staates lägen.

Verfassungsreform gefährdet Strafverfolgung

Indes warnen elf Menschenrechtsexperten der UNO die kolumbianische Regierung vor einer geplanten Verfassungsreform, die die Zuständigkeit von Militärgerichten ausweiten soll. Wenn wirklich ein Parallelsystem zur Überprüfung von Vorwürfen gegen Polizei und Militär eingerichtet werde, sei zu befürchten, dass sich diese dadurch einer gerechten Strafe entziehen könnten, schreiben die Experten in einem offenen Brief.

Die Aufarbeitung im Bürgerkrieg begangener Menschenrechtsverletzungen dürfte der umstrittenste Punkt eines möglichen Friedensvertrages werden. In ähnlichen Fällen wie der Beendigung des Bürgerkrieges im mittelamerikanischen El Salvador einigten sich die Konfliktparteien auf die Verabschiedung eines umfassenden Amnestiegesetzes, das Verbrechen während des Konflikts unbestraft lässt.

Dieses Gesetz hat eine Vielzahl von Problemen verursacht: als etwa ein spanischer Richter 2011 einen Interpol-Haftbefehl gegen zehn salvadorianische Militärs erwirkte, die am 16. November 1989 fünf Jesuiten, eine Hausangestellte und deren Tochter erschossen hatten, konnten sich diese einfach in eine Kaserne zurückziehen. Die örtliche Justiz weigert sich trotz eines bestehenden Auslieferungsabkommens bis jetzt, die Täter an Spanien zu überstellen (derStandard.at berichtete).

Zivilisten zwischen den Fronten

Die von der Guerilla begangenen Menschenrechtsverletzungen sind bekannt: Durch den Einsatz selbstgebauter Artillerie gegen umkämpfte Städte und die Verlegung von Landminen kommen immer wieder Zivilisten zu Schaden. Seit Jahren haben die Aufständischen hunderte Geiseln in ihrer Gewalt.

In den letzten Jahren wurden aber auch immer mehr Übergriffe des Militärs bekannt: So war es während der Amtszeit Präsident Álvaro Uribes in mehreren Landesteilen gängige Praxis, junge Männer zu töten und die Leichen als bei Kampfhandlungen gefallene Guerilleros zu präsentieren. Die Entwaffnung der rechtsextremen Paramilitärs, die Uribe medienwirksam inszenieren ließ, war in vielen Fällen wirklich nur eine Inszenierung: bezahlte Statisten legten vor laufenden Kameras rostige Gewehre nieder (derStandard.at berichtete). Auch dass vor den Wahlen 1988 über hundert Kandidaten der Linkspartei "Union Patriotica" ermordet wurden, hat Kolumbiens Linke nicht vergessen. 

Haftbefehle aufgehoben

Zumindest solange die Verhandlungen laufen, sind die Teilnehmer aber vor Verfolgung sicher: die kolumbianische Regierung hob am Montag 191 Haftbefehle gegen rund 30 Teilnehmer der Guerilla an den Friedensgesprächen. Die Aussetzung ist allerdings geografisch begrenzt und gilt nur für die Verhandlungsorte Oslo und Havanna.

In Kolumbien selbst ist wenig von den Friedenshoffnungen zu spürten; am Samstag wurden bei einem Bombenanschlag der Guerilla in Puerto Vega Teteyé im Department Putumayo fünf Soldaten getötet und zwölf weitere verletzt. Tags zuvor starben an der Pazifik-Küste etwa 15 Rebellen , als die Luftwaffe ein Lager der FARC in Cabo Marzo im Departement Chocó angriff. (bed/derStandard.at, 25.10.2012)