Der Film Zavtra gewährt tagebuchartig einen Insiderblick in den Alltag der St. Petersburger KünstlerInnengruppe Voijna. Schon die Eröffnungssequenz macht klar, wie hart das Leben für die Mitglieder des Kollektivs ist. Die Kamera verfolgt ein junges Paar - der Mann trägt ein Baby am Rücken -, wie sie in diversen Geschäften Lebensmittel stehlen und sich wortwörtlich um ihre Beute prügeln. Kinderkleidung und Spielzeug besorgen sie sich aus Abfallcontainern. Etwas später sitzen die Mitglieder des Kollektivs bei der Besprechung einer Aktion in ihrer Wohngemeinschaft zusammen.
Diskutiert wird, wie viele Menschen benötigt werden, um einen Pkw auf das Dach zu legen. Das Strafmaß für eine derartige Aktion wird im Internet recherchiert. Besprochen wird etwa auch, aus welchem Winkel man diese Sabotageaktion am besten fotografiert.
Danach beginnen die Übungen an Zivilfahrzeugen. Es stellt sich heraus, dass die Aufgabe schwieriger ist als ursprünglich angenommen. Nach einigen misslungenen Versuchen klappt es dann doch. Auf die Proben folgt die eigentliche Kunstaktion, Polizeiautos werden auf den Kopf gestellt. Das Geschehen wird foto- und videografisch dokumentiert, die Ergebnisse werden im Internet publiziert. Was folgt, sind Verhaftungen, ein Prozess und mehrmonatige Haftstrafen für die "Rädelsführer".
Die Gruppe verbucht die Aktion als Erfolg, da das mediale Echo enorm ist und Aufzeichnungen der Aktion und des Prozesses in Printmedien und Fernsehen einiges Aufsehen erregen. Es ist bewundernswert, welche massiven Konsequenzen die KünstlerInnen auf sich nehmen. Am schlimmsten sei die Trennung von seinem Sohn gewesen, meint ein Mitglied der Truppe nach der Haftentlassung. Diese Konsequenz lässt sich nur mit dem Mut der Verzweiflung erklären. Einer der Verteidiger im Prozess sagt in seinem Plädoyer, er sei sich sicher, dass dereinst Bücher darüber geschrieben werden. Man kann dem Mann nur beipflichten.
Der Film heißt
programmatisch Tomorrow. Ob morgen alles besser wird, darf bezweifelt werden. In
der Endsequenz ist die wohl bekannteste und spektakulärste Aktion der Gruppe zu
sehen, bei der eine Zugbrücke einen wesentlichen Part übernimmt: F*** the
system!
(Norbert Pfaffenbichler, Spezial, DER STANDARD, 28./29.10.2012)