So positives wie dynamisches Musicalduo mit Udo-Jürgens-Erfahrung: Franziska Becker und Andreas Lichtenberger spielen gemeinsam in "Kiss me, Kate".

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Wien - Groß, schön, sportlich, männlich: Da stehen einem im Leben natürlich einige zusätzliche Berufsoptionen offen. Man kann zum Beispiel Model für Nassrasierer-Werbekampagnen werden oder Hauptdarsteller in Musical-Produktionen. Andreas Lichtenberger hat sich für Letzteres entschieden: Zweieinhalb Jahre hat der Deutsche in der VBW-Produktion des Udo-Jürgens-Musicals Ich war noch niemals in New York den Sänger gemimt und gesungen.

Zufälligerweise hat auch Franziska Becker eineinhalb Ich war noch niemals in New York-Hauptrollenjahre auf ihrem natürlich nur metaphorisch existierenden Buckel - diese hat sie nicht in Wien, sondern in Hamburg erlebt. Becker ist von etwas fragilerer Gestalt als Lichtenberger, deutlich weniger gesichtsbehaart, aber mindestens genauso unerschütterlich positiv, dynamisch und schnellsprechend.

Die Zwei spielen die Hauptrollen in der neuen Volksopernproduktion des Musical-Klassikers Kiss me, Kate. Sie lieben und streiten sich zu den wunderbar altmodischen Klängen Cole Porters, den hämischen Kommentaren der gestopften Trompeten, dem näselnden Werben der Saxofone, den zuckersüßen Streichern. Wie war für sie die Zeitreise 60 Jahre zurück in die große, klassische Zeit des Broadway-Musicals?

"Toll. Die Musik macht natürlich immensen Spaß", schwärmt Lichtenberger. " Wenn das ganze Orchester so richtig loslegt, dann ist das hinreißend." Die für diese Produktion verwendete, in den späten 90er-Jahren entstandene Orchestrierung von Don Sebesky sei showlastiger, bombastischer als das Original, meint Becker. Aber trotzdem nicht opernhaft, ergänzt Lichtenberger.

Reise in die 80er-Jahre

"Aber das Ganze ist ja nur eine halbe Zeitreise", führt Becker weiter aus. Warum denn das? "Bernd Mottl, der Regisseur, hat die Handlung in die 80er-Jahre verlegt." Es gäbe kleidertechnisch Anklänge an Joan Collins und Miami Vice, und auch die aus Neopren-Kostüme des Stücks im Stück, Shakespeares Der Widerspenstigen Zähmung, seien äußerst farbenfroh geraten.

Haus und Regisseur hätten sich des Weiteren für einen Weg entschieden, der sich konsequent auf die Kerngeschichte der Beziehungen konzentriere: Sowohl beim Text als auch bei den Gesangsnummern seien Striche vorgenommen worden. Dadurch sei das Tempo der Inszenierung sehr hoch: " Es läuft dir alles runter", so Becker. Mottl würde aber auch immer wieder anmahnen, keine Komödie zu spielen und immer den Konflikt im Auge zu behalten. "Das Buch funktioniert von selbst", erklärt Lichtenberger. Da müsse man nicht noch komödiantisch eins draufsetzen.

Im Stück müssen sich die beiden ja ordentlich fetzen. Muss man auch in der Probenarbeit eine gewisse Streitfähigkeit beweisen, um eigene Ideen durchzusetzen, oder herrscht da Harmoniepflicht? "Mottl weiß sehr genau, was er will", meint Becker. "Wenn er aber merkt, man hängt sehr an einem Interpretationsaspekt, kann man mit ihm darüber reden."

Macht die Arbeit an einem Repertoirehaus eigentlich mehr Spaß als das fließbandhafte En-suite-Spielen an reinen Musicalhäusern? Bei Letzterem könne man die Interpretation einer Figur immer wieder verfeinern, meint Becker, bis zur Perfektion. Repertoire zu spielen wäre aber spannender: " Man bleibt wacher." "Repertoire ist eine andere Disziplin", stellt Lichtenberger fest. Man verwachse sehr mit seiner Rolle beim En-suite-Spielen.

Kiss me, Kate hat an der Wiener Volksoper eine enorme Tradition, wurde 1956 zum ersten Mal am Haus gezeigt und bis dato 338-mal aufgeführt. Ist das eher Ansporn oder Bürde? "Ach, mittlerweile eher ein Ansporn", meint Lichtenberger frohgemut. Dann kann die Premiere ja kommen.   (Stefan Ender, DER STANDARD, 27./28.10.2012)