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Nach dem Asyl-Memorandum werden Flüchtlingscontainer als höchstwahrscheinliche Notwendigkeit für die Unterbringung von Asylwerben diskutiert.

Foto: ap/Martin Oeser

Also Flüchtlingscontainer! Wenige Tage ist es her, da wurde im Bundeskanzleramt feierlich das Asyl-Memorandum präsentiert, in dem sich die Bundesländer verpflichten, bis Ende November an die 1000 zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen, auf dass dann im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen weniger Menschen leben. Vom Bundes- und Vizekanzler abwärts ergingen sich Verantwortungsträger der Republik in Versicherungen, dass nun föderale Kraftanstrengungen bevorstünden, um entsprechenden Wohnraum zu schaffen.

Und wovon ist jetzt, nur wenige Mal Schlafengehen und Träumen später, die Rede? Von Flüchtlingscontainern als höchstwahrscheinliche Notwendigkeit. Denn es sei immens schwer, ja, im Grunde unmöglich, binnen der vereinbarten Frist genug Unterbringungsplätze für Asylwerber zu schaffen (Oberösterreichs Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Ackerl, SP, und andere).

Und in Kasernen, in denen Asylwerber laut Memorandum bei fortgesetzter Privatquartiernot ebenfalls untergebracht werden sollen, sei kein Platz - zumindest nicht in jener, wo dies landesweit am ehesten zu vermuten wäre (Vorarlbergs Sicherheits-Landesrat Erich Schwärzler, VP). Zusammengefasst: Ein einziges "hamma net" von Länderverantwortlichen.

Was, angesichts dessen, für ein Glück, dass der Bund das Aufstellen von Flüchtlingscontainern auf Liegenschaften, wo er das Sagen hat, im Memorandum explizit angeboten hat! Tatsächlich könnte man - so, wie die Diskussionen jetzt laufen - fast vermuten, dass der Asylgipfel mit seiner staatstragenden Anmutung in Wahrheit eher ein Containerbeschließungsgipfel war. Und dass die verkündete Quartiersuchbereitschaft der Länder den Keim des Scheiterns schon in sich trägt, sodass der - für die Länderverantwortlichen - weit bequemere Containerweg in Bälde beschritten werden kann.

Schiffscontainer

Und damit rücken jene flexibel einsetzbaren Riesenkisten in den Mittelpunkt, in denen in unserer globalisierten Welt je nach Bedarf Güter über die Weltmeere geschippert, Arbeiterpausenräume in Baustellennähe errichtet, Büros in Umbauphasen und Klassenzimmer bei Schülerandrang angesiedelt werden. 

Auch zum Wohnen werden Container verwendet, aber nur für AußenseiterInnen, und Verfolgte: Etwa für Roma, nachdem man sie aus Wohnwagen oder eigenen Wohnungen geschmissen hat. Ebenso bei Massenfluchtbewegungen, etwa jetzt in der Türkei, weil aus Syrien wegen des Bürgerkriegs Tausende über die Grenze kommen: Immerhin weit besser als die in Krisen ebenfalls notorischen Flüchtlings-Zeltstädte, (oder gar manche Elendslager unter freiem Himmel an Orten, wo das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR gar nicht oder nur beschränkt hinkommt).

Auch im reichen Europa wurden Wohncontainer zuweilen für Flüchtlinge ausgestellt, aber immer als "Provisorien" und unter lauten Beteuerungen der Verantwortlichen, dass sie nur als Übergangslösung gedacht seien: So, wie es in der heimischen Asylunterbringungsdiskussion jetzt Landesrat Ackerl tut, der im STANDARD-Interview überdies von akzeptabler Wohnqualität spricht.

Gettocontainer

Doch was geschieht, wenn aus dem Provisorium ein Fixum wird? Und: Wer kann verhindern, dass es so kommt? Immerhin wurde auch das Lager Traiskirchen 1956, während der Ungarnkrise, als vorübergehende Flüchtlingsherberge eröffnet. Und: Wie will man hintanhalten, dass Flüchtlingscontainersiedlungen Gettocharakter annehmen, dass sie zu Fremdkörpern im sozialen Gefüge werden, mit Nachteilen für alle Beteiligten? Und, dass ihre BewohnerInnen vor allem als Sicherheitsrisiko gelten - zumal in Österreich ja angedacht ist, die Container auf dem Areal von Polizeischulen aufzustellen.

Genauer betrachtet, ist die Flüchtlingscontaineridee, auf der sich jetzt eine Reihe am Asylgipfel Beteiligter auszuruhen beginnen, eine "Lösung" mit beträchtlicher Chronifizierungsgefahr. Und mit hohem Risiko unerwünschter sozialer Nebenwirkungen.

Wie das dann aussieht, zeigt folgende eindrückliche Schilderung aus einem Flugblatt gegen eine Flüchtlingscontainersiedlung im deutschen Bochum aus dem Jahr 2006:

"Die nur 16 m² großen, zellenartigen Zimmer werden im Schnitt von jeweils zwei Personen bewohnt. Die Koch-, Spül- und Waschgelegenheiten sind absolut unzureichend. Die dünnen Wände der Zimmer und die Geräuschkulisse auf den langen Fluren sorgen für eine permanente Lärmbelästigung. Unter derart beengten Wohnbedingungen wird jegliche Privat- und Intimsphäre zerstört. Den Kindern fehlt die Möglichkeit, in Ruhe ihre Hausaufgaben zu machen oder ungestört zu spielen. In dem vollständig umzäunten Lager befinden sich die BewohnerInnen unter ständiger Beobachtung. Auf den Fluren und in einigen Gemeinschaftsräumen hängen Videokameras. BesucherInnen müssen sich an einer Pforte anmelden und gelegentlich auch ausweisen."

Vielleicht sollten manche Verantwortliche des Asylgipfel-Memorandums ihren Drall zur Flüchtlingscontainerlösung doch noch einmal hinterfragen... (Irene Brickner, derStandard.at, 27.10.2012)