Szklarska Poreba - Die Sensation steckte im grauen Schlamm gleich neben einer Müllhalde im Süden Polens: Rund 215 Millionen Jahre alte Schildkrötenpanzer-Fossilien - ältere und vollständigere als diese wurden bisher nirgendwo auf der Welt gefunden. Experten zufolge können die Funde aus der Gegend um Krakau nun wertvolle Hinweise auf die noch immer rätselhafte Herkunft der Reptilien geben.

"Schildkröten-Fossilien aus der späten Trias sind äußerst selten", sagte der Entdecker des Fossilienschatzes, Tomasz Sulej, Paläobiologe bei der Polnischen Akademie der Wissenschaften: "Es gibt nur etwa acht Stellen auf dem gesamten Globus, wo sie zu finden sein könnten." Mit den Funden der Panzer-Fossilien in Polen hätten die Forscher die bisher älteste und umfassendste Ansammlung entdeckt. Seiner Überzeugung nach habe sein Schutzengel ihn zum Fundort geführt, sagt Sulej: Im Herbst 2008 habe er so ein Gefühl gehabt, dass er an genau dieser Stelle nahe der Stadt Poreba herumstochern sollte.

215 Millionen Jahre im Schlamm

Nach einer Viertelstunde des Grabens dann die Euphorie: Der Forscher entdeckte das erste Schildkrötenfossil. Jüngst bestätigten Untersuchungen, dass es sich tatsächlich um das älteste bisher je gefundene handelt. "Etwas zu finden, das 215 Millionen Jahre im Schlamm lag, das ist, als würde man es zum Leben erwecken", schwärmte Wissenschafter Sulej.

Zwar wurden auch anderswo Schildkrötenfossilien aus derselben Zeit wie in Polen entdeckt. Der Fund in Polen förderte jedoch vollständigere Überreste zu Tage: Panzer mit Hals- und Schwanzwirbeln und anderen Skelettteilen, was bisher einzigartig ist. "Wir haben zwei Arten entdeckt, von denen eine bis dato noch unbekannt war", berichtete Sulej. So fand sein Team versteinerte Überreste einer Proterochersis-Schildkröte, die einem in Deutschland entdeckten Proterochersis-robusta-Fossil ähnelt. Ein zweites Exemplar scheint einer kleineren und bis zum Fund in Polen unbekannten Art anzugehören.

Ertragreiche Gegend für Fossilien-Forscher

Die Entdeckungen reihen sich ein in eine ganze Serie spektakulärer Fossilienfunde in der malerischen Region: So wurden wenige Jahre vor Sulejs Fund ganz in der Nähe die Überreste einer bis dahin noch unbekannten 200 Millionen Jahre alten Saurierart geborgen. Die neue Art erhielt den Spitznamen Smok Wawelski (Wawel-Drachen) nach einem Feuer speienden Fabeltier, das am Fuße der Krakauer Wawel-Burg gehaust haben soll. Weniger sensationelle, aber dennoch wertvolle Funde brachten Hunderte Fossilien von sechs Arten ans Tageslicht - darunter auch Haie.

Sulejs derzeitige Mission ist es, einen versteinerten Schildkrötenschädel zu finden. Obwohl Fossilien sich nicht für DNA-Tests eignen, liefert ihr Bau wertvolle Indizien, um die Herkunft von Arten zu erforschen. Deshalb sei jedes neue Schildkrötenfossil "unschätzbar wertvoll", betonte der Paläobiologe. (APA, 27.10.2012)