Würden Sie einem erwachsenen Mann in einem Piratenkostüm einen Gebrauchtwagen abkaufen? Auch wenn gerade nicht Halloween vor der Tür steht? Eben. Und würden Sie ihm die Lösung von Problemen wie Armut, Umweltzerstörung oder das Budget Ihrer Stadt zumuten? Die Piratenpartei, die sich am Wochenende in Graz versammelte, hat ein Problem: Außer dass ihre großteils jungen, aber auch nicht mehr ganz jugendlichen Mitglieder beteuern, mit ihren "Tools" alles, was die Bevölkerung brauche, "providen" zu können, fehlt ihnen nach wie vor der Inhalt für die Tools. Ihr Programm liest sich wie eine Mischung aus Ideen anderer Parteien und Forderungen von bereits festgeschriebenen Grundrechten wie "Freie Meinungsäußerung für alle!" Ja, eh.

Natürlich ist es erfreulich, dass sich bei wachsender Politikverdrossenheit und Politikverachtung, für die die etablierten Parteien jahrzehntelang alles gegeben haben, noch motivierte Leute zusammenschließen und etwas Neues probieren wollen. Ein bisschen Aktivismus schadet da auch nicht.

Aber an einem Wochenende, an dem in weiten Teilen des Landes der erste Schnee fiel und bei vielen Menschen aus Geldnot die Heizungen kalt bleiben, tut man sich im Gespräch mit einem Mann mit Piratenhut und Nickname, der sein halbes Leben hinter einem PC-Bildschirm saß, bevor er die Politik entdeckte, vielleicht einfach ein bisschen schwer mit dem Ernstnehmen. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 29.8.2012)