Von der Touristin zur Serienmördergefährtin ist's kein weiter Weg: Alice Lowe in "Sightseers". 

Foto: Viennale

Wer sich zu einem Urlaub auf einem Campingplatz entschließt, tut dies auf eigene Gefahr, und irgendwo in den Geschäftsbedingungen des Betriebs wird dies sicher auch entsprechend festgehalten sein. In argloser Ferienstimmung denkt man bei Gefahr schlimmstenfalls an einen Fuchs, der nachts die Zeltstange markiert, oder an eine Schlange, die sich in die Kühltaschen verirrt. Doch gelegentlich können aus der besonderen sozialen Situation vorübergehender Nachbarschaft mit Unbekannten auch echt bedrohliche Situationen entstehen.

In Sightseers trifft der verhinderte Schriftsteller und Wohnwagenerotiker Chris auf einen erfolgreichen Autor, der bereits an seinem dritten Buch schreibt: Großbritannien zu Fuß. Die Provokation, die für den mit seiner eigenen literarischen Idee so gar nicht vorankommenden Chris in dieser Begegnung liegt, wird noch verschärft durch eine Gruppe von Landsleuten, die sich zu einem Schamanenritual eingefunden haben, das unter unerschütterlichem Getrommel bis zum Morgengrauen anhält. In einer der großartigsten Montagesequenzen seit langem eskalieren die Geschehnisse schließlich zu den Klängen von Donovans Season Of The Witch.

Danach hat Großbritannien einen Schriftsteller weniger, dafür aber einen besonders schrägen Serienkiller hinzugewonnen. Denn Chris ist auf den Geschmack gekommen, und fortan begnügt er sich nicht mehr damit, mit seiner Freundin Tina das Crich Tramway Museum oder das Keswick Pencil Museum anzusteuern und dazwischen den guten Sex zu filmen, den er mit Tina hat. Er zieht nun auch eine Blutspur durch das Land, und da Tina ihrerseits die Grenzen zwischen Unfalltod und tödlicher Aggression großzügig zieht, sind da bald zwei "natural born killers" durch die idyllische englische Provinz unterwegs.

Mit Sightseers wird ein Genre wiederbelebt, das man eigentlich schon fast vergessen haben mochte: die schwarze Komödie. Was Regisseur Ben Wheatley mit den beiden Hauptdarstellern, den Comedians Steve Oram und Alice Lowe, da an Gemeinheiten aneinanderreiht, ist ja nichts anderes als die Verschärfung jener zwischenmenschlichen Reibereien, die den Wunsch nach einer "splendid isolation" manchmal so nachvollziehbar machen.

Dazu ein starkes Element britischen Individualismus, ein paar profund lächerliche Figuren, und schon sind alle Tötungshemmungen für die Dauer einer Fiktion (bis zu einer finsteren Pointe) lustvoll suspendiert. (Bert Rebhandl, Spezial, DER STANDARD, 29.10.2012)