Nougatspion Harald Fidler arbeitet sich auf der Weltmesse der Langsamen durch Löffelwurst, warme Austern und Millionen Mitesser
Ansichtssache
Harald Fidler
Nougatspion? Man kann mir ja wirklich vieles nachsagen, schlechte Tischmanieren, üblen Stil, lasche Orthografie, universelle Ahnungslosigkeit, räudige Bilder. Von mir aus auch Industriespionage - wer klopft meine Carne Cruda klein, wer ringt meinen Oliven wie das Öl ab, wer brät meine Nieren, röstet meine Leber, eiert um mein Hirn? Aber Nougat?
Auf der Slowfoodmesse Salone del Gusto/Terra Madre in Turin gelingt dem Süßspeisenskeptiker Fidler selbst das. Wofür fotografieren Sie, fragte mich Anna K. forsch. Ich vermute jedenfalls qualifiziert, dass die forsch fragende Dame am Stand von Yves-Robert Tolleron Frau K. war, denn so heißt Tollerons Compagnonne nun einmal, und diese forsche Dame war sehr um Tollerons Geheimwissen bemüht. Ich sage nur: imposante Ziegel von weichem, weißem Nougat aus der Provence, so viele, dass man damit ein kleines Ferienhaus in dieser schönen Gegend bauen könnte, jedenfalls für die kalte Jahreszeit.
Zuallererst für mich fotografiere ich, baute ich vor Frau K. einen meiner gewohnt verdrehten Yoda-Sätze auf. Und dann hab ich noch einen Blog auf derStandard.at, eine Esskolumne, auf der Website einer österreichischen Tageszeitung also. Warum fragen Sie denn so forsch? Na, die Konkurrenz schläft nicht, gibt sie zu erkennen, aber sie erkennt ja sofort, ob sich da ein normaler Langsamesser ihrem Nougat nähert oder einer, der ihn nachmachen will. An diesem Sensorium sollte die sonst bestimmt süße Dame vielleicht noch ein bisschen arbeiten.
Sonderprüfung
Gekostet habe ich den Nougat dann nicht mehr, um dem Verdacht der Rezepturanalyse zu entgehen, aber auch aus Desinteresse an Süßem in toto. Doch Sie können an dieser Episode erkennen, welche Wagnisse der Fidler für diesen kleinen, dreckigen Gastroblog auf sich nimmt. Der Salone del Gusto eine einzige, gewaltige Sonderprüfung.
Grundlegende Erkenntnisse der Schmeck's-Forschergruppe in Turin: So richtig bio schien das Dargebotene nicht durchgängig zu sein, und so richtig nachhaltig wirkte auch nicht alles, schon gar nicht vegetarisch, was ja schon ein bisserl miteinander zu tun hat, und so richtig lokal auch nicht. Aber wie soll das schon gehen bei einer Weltmesse, selbst bei einer Weltmesse der Langsamesser. Davon gibt es in Turin und Umgebung so aberwitzig viele, dass der Fidler schon nach zwei Stunden erstmals vom Horror der Masse schwer überfordert in die Weinhalle flüchtete. Wo er, what else, auf den längst eingekehrten Bruckenberger stieß.
Was wir einander bei einer kreislaufstabilisierenden Infusion so zu erzählen hatten, würde jetzt zu weit führen. Lieber zeige ich Ihnen ein paar Bilder davon, was mir vor und nach der Kreislaufstabilisierung so unterkam an Löffelwurst, warmen, aber absolut bekömmlichen Austern, an Schnecken und Schinken aus Wien, Müll von der Sau aus Umbrien, riesenhaften Zwiebeln, ganzen Wänden aus Nougat eben. Terror Madre, Teil 1, also:
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Bevor man im Salone zu den Nougatwänden vorstoßen kann, heißt's erst einmal: anstellen. Auch mit vorgekauften Tickets. Jedenfalls am Wochenende.
So ein Käse: Schon beim ersten Bild wird's unpräzise - ich habe leider keinen Tau mehr, von welchem der aberhunderten, nach Italiens Regionen geordneten Stände dieser Käse stammt. Scusi.
Nduja hieß die erste Kostprobe von vielen im Salone del Gusto, paprizierte Löfffelwurst aus Kalabrien von Luigi Caccamo. Begeistert nicht jeden gleich, den Bruckenberger und mich zum Beispiel weniger, die vegetarische Katharina wiederum sehr.
Damit's hier nicht nur um die Wurst geht: Bunte Schärfe aus Italiens Süden, schon wieder eine Lücke in der Dokumentation, woher genau.
Und auch bei diesen Würsten war dem Fidler die Quelle offenbar eher wurst. Wir werden noch präziser, versprochen.
Da wollen wir zum Beispiel auf diese Hülsenfrüchte linsen, bestimmt auch ein Slow-Food-Förderkreis. Genau: Fagioli cosarugiaru di Scicli (stand so auf dem Schild) aus Sizilien. Sagen Sie nicht einfach Bohne zu ihr!
Auch bei dieser fröhlichen Dame geht's um die Wurst, diesfalls aus Lampedusa.
Auch so kann man Käse machen. In Sizilien, wenn ich das richtig notiert habe, in den Monti Nebrodi bei La Fiumara.
Ich kann berichten: Es gibt Menschen, die Knoblauch aus Italien mitnehmen. Schön für die Mitreisenden. Das hier ist Aglio Rosso di Nubia. Sizilien schon wieder. Weit sind wir noch nicht gekommen im Salone.
Wieder einmal eines der Suchbilder, wie sie der Fidler mag. Mitraten gefällig? Ich weiß es ja, ausnahmsweise. (Nämlich: Melone purceddu di Alcamo, auch Sizilien, etwas unscharf halt).
Sie interessiert das nicht die Bohne? Fagiolo badda di Polizzi, nochmals Sizilien. Mir scheint, da will ich jetzt wirklich sehr dringend hin. Trotzdem könnten wir jetzt im Salone langsam die Region wechseln, Fidler!
Aber nicht, bevor wir die gewaltigen Cipolle di Giarrantana abgelichtet haben.
Immerhin sind wir nach Apulien vorgestoßen, biologische Zitrusfrüchte von der Tenuta di Lago d'Anice.
Noppenkäse: Ziegenricotta von Molino A Vento, Apulien. Der Käser trägt eindrucksvollen Schnauzer, wie ich anmerken möchte.
Noch einmal kurz zurück zu den Nduja-Machern aus Kalabrien, die können auch Wurst im Holzkorsett.
Ein schöner Brauch.
Ein bisschen überraschend, aber, ja, auch irgendwie italienisches Kulturgut: Autogrill auf der Slowfoodmesse.
Der gute Mann geht mit dem Stolz auf seinen imposanten Käse recht gelassen um, scheint mir - Provolone Recco, Latium.
Dieses Olivenöl steht nicht zum Verkosten herum, bitteschön!
Schweinerei: Ein schöner Rücken ... schmückt den Stand der Salumifici Santoro aus dem Itria-Tal in Apulien. Oder doch ein Bauch, wie ich von der p.t. UserInnengemeinde lernte.
Diese beiden Herren zeichneten sich beim Salone am späten Vormittag durch besonders beschwingten Schritt aus. Schien ihnen zu gefallen.
Bei diesem Foto atmete der Fidler gaaaaanz tief ein ...
... und erst nach diesem wieder aus: Wunderbare Steinpilze, hoffentlich nicht aus Kärnten, bei Oliveri in Aqui Terme.
Und wo wir schon im Piemont sind, auch beim Salone del Gusto empfiehlt sich natürlich eine kleine Carne Cruda alias Battuta al Coltello zur Jause. Von der Cascina Capello aus Villanova d'Asti. Sehr gut.
Fisch, nicht Fleisch, so viel kann ich sagen, aber woher, habe ich leider nicht dokumentiert.
Mein Schwein tropft: Hier nach Ansicht einer medienübergreifen
österreichischen Abordnung einer der Höhepunkte des Salone: Cicotto di
Grutti, genauer: seine Bestandteile. Man nehme die Reste vom Schwein, also Fuß, Rüssel, Innenleben und so,
pflanze das Zeug in eine Schale unter einer Pancetta, ab in den Ofen,
dann tropft es vom Schwein auf seine Reste, die man auf Weißbrot
serviert. Sehr gut. Nichts für Filetesser halt.
So sieht das kurz vor dem Servieren aus. Übrigens ein eigener
Slow-Food-Förderkreis, zu finden in Grutti, das wiederum zur Commune di
Gualdo Cattaneo gehort und die wiederum zu Perugia in Umbrien.
Und bevor wir gleich wieder auf die Schweinerei zurückkommen zur Entspannung ein paar besondere Hülsenfrüchte aus Umbrien: Fava cottora dell'Amerino und ...
... Roveja di Civita di Cascia. Aber zurück zum Ernst, noch einmal ...
... Cicotto. Hier der vordere Oberteil der Operation. Die Sau und hier ...
... das gerollte Schwein in voller Länge, hoffentlich von den lieben Kolleginnen ein bisschen aufgehellt gegenüber dem Fidler'schen Original.
Der gute Mann von nebenan beschäftigt sich eher mit der Verarbeitung von wilden Schweinen zu Würsten: La Gola di Bacco in Galleno (Toskana).
Paolo Rovera aus dem wunderbaren Stroppo in den Bergen des Piemont hilft mit Genepy bei der Verdauung. Von der Azienda Agricola mit dem lautmalerischen Namen La Freidio.
Und hier Herr Tolleron aus der Provence inmitten seiner Nougatwände. Süßes Kerlchen, aber halt leider ein bisschen unscharf.
Hier indes am Messerstand geht es allein um die Schärfe und natürlich fernöstliche Schnitzkunst. Erst am Obst, dann ...
... am Fisch.
War bestimmt ein Spaß am Zoll mit all diesen Knollen vom afrikanischen Kontinent.
Libyen fehlt hier ebenso wenig wie ...
... Burkina Faso und sowieso aller Herren und Damen schöne Länder.
Talk im Hangar? Mitten in der Halle ein Feld, mitten im Feld eine Talkrunde. Wär doch auch eine schöne Idee für Servus TV und kaum aufwendiger als deren Plaudereien.
Und so sieht das Feld zum Beispiel im Detail aus.
Hier steppt der Schneck: Schlangen an den Foodständen, zum Schrecken des Fidler.
Hier schneiden Thums gerade ihren Beinschinken, gleich nebenan salamandert Herr Gugumuck seine Schnecken. Beim Wiener Stand staunt selbst der gastronomisch abgeklärte Italiener, beobachtete Bruckenberger.
Und der geht den Sachen bekanntlich besonders genau auf den Grund. Insbesondere dem Fleisch natürlich - und dem Schinken, wie hier.
Der Fidler indes spitzte auf ein paar Austern aus der Bretagne. Ungekühlt, aber unproblematisch, jedenfalls am Samstag. Über die weitere Entwicklung ihrer Artgenossen im Salone kann ich nicht berichten.
Unter Slow Food stelle ich mir ja was anderes vor, aber bitte.
Und was ist das? (Dafür braucht man nicht nach Turin, so was und Artgenossen kann man auch in Hintersdorf begutachten.) Trotzdem: Nächste Woche mehr vom Salone bei Schmeck's - mit einem ersten Gastauftritt vom weitaus gastrokundigeren Kollegen Tobias Müller. Also ich freu mich drauf. (Harald Fidler, derStandard.at, 30.10.2012)
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