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Bernd Freimüller beobachtet Spieler und macht sich seine Notizen.

Foto: APA/ PARIGGER

Wien - Bernd Freimüller schreibt immer noch Listen. Jetzt stehen andere Namen drauf, aber die Parameter sind gleichgeblieben. Freimüller sieht sich Eishockeyspiele an, weil er sich Eishockeyspieler ansieht. Er beurteilt deren Spielintelligenz, läuferische Qualität, Körpereinsatz, Talent, Defensivspiel, Charakter, Perspektive. Und weil man sich nicht alles merken kann, hilft sich Freimüller mit seinen Listen.

13 Jahre lang wirkte der 44-jährige Wiener als Europa-Scout für den NHL-Klub Atlanta Thrashers, seit Februar ist er Scout und Berater der Vienna Capitals. Früher notierte Freimüller die Namen skandinavischer Talente auf seinen Listen, einige schafften alsdann den Sprung nach Nordamerika. Nun gilt es etwa hoffnungsvolle Österreicher zu bewerten, das Niveau ist also gewiss ein anderes, doch Freimüllers Einsatz ist immer gleich groß. Und dass die Capitals nun, nach 16 Runden, die Tabelle der Erste Bank Liga (EBEL) anführen, geht auch auf seine Kappe. Schließlich hat er gemeinsam mit Trainer Tommy Samuelsson die Teamzusammenstellung zu verantworten.

"Spielerisch gute Verteidiger kaum zu finden"

Die hoffnungsvollen Österreicher waren Freimüller wichtiger, als man meinen möchte. "Weil der Markt sehr klein ist", sagt er, "und weil ich mir keinen aus der Rippe schnitzen kann." Also waren sich die Capitals rasch mit etlichen Österreichern einig. Danach machte sich Freimüller auf die Suche nach Verteidigern. "Spielerisch gute Verteidiger, die mit der Scheibe umgehen und eislaufen können, sind kaum zu finden", sagt der Scout. "Auf der ganzen Welt herrscht da ein Notstand." Der Notstand hat damit zu tun, dass fast jedes Eishockeykind vor allem eines will, die kleine Scheibe in den Kasten hämmern. Stürmer gibt's wie Sand am Meer, mit der Stürmersuche hat sich Freimüller viel Zeit gelassen. Da galt es vorher noch die Position des Torhüters ordentlich zu besetzen.

Wie die Capitals zu Matt Zaba kamen, ist beispielhaft für Freimüllers Arbeit. Zaba, ein 29-jähriger Kanadier, hatte genau eine NHL-Partie (NY Rangers) und viel AHL (Hartford) gespielt, ehe er zum HC Bozen nach Italien wechselte, wo er zwei Saisonen lang im Kasten stand. Freimüller hat Zaba selbst live und auf Video gesehen, aber wegen dieses einen Cracks auch zig Gespräche geführt und E-Mails geschrieben. "Ich hatte mehr als zwanzig Quellen." Der Scout befragte ehemalige Coaches, ehemalige Mitspieler, sogar ehemalige Gegner Zabas, natürlich auch diesen selbst.

Das Ziel ist das Finale

Eine Mannschaft formt sich nicht allein auf dem Eis, sondern auch in der Kabine. Viel hängt von der Stimmung ab, in Wien hat man diesbezüglich aus der Vorsaison gelernt. Sie war für die Capitals ein Reinfall, trotz Rekordbudgets wurde die Zwischenrunde und erstmals seit 2004 das Semifinale verpasst. In diesem Winter, sagt Klubchef Hans Schmid, ist das Finale das Ziel. Der Winter, sagt Freimüller, dauert noch lange.

Die Belastungen werden nicht kleiner, am Dienstag gastieren die Caps in Salzburg, am Freitag empfangen sie Villach, am Sonntag treten sie in Innsbruck an. Hinzu kommt das Engagement in der European Trophy mit dem Viertelfinale am 13. Dezember daheim gegen den deutschen Meister Eisbären Berlin. Klar ist, dass sich Bernd Freimüller noch viele Spiele ansehen wird. Und viele Spieler. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 30.10.2012)