Natürlich wird interveniert. Auch gedroht. Im ORF und anderswo. Üblicherweise ist das aber gar nicht notwendig. Es geht auch ohne anzurufen, ohne zu drohen. Bei manchen Redakteuren im Öffentlich-Rechtlichen funktioniert die Schere im Kopf in Eigenregie. Der vorauseilende Gehorsam als Teil der Job-Description, verinnerlicht durch jahrelange Übung.

Das wichtigste Schlachtfeld der politischen Interventionen findet sich am Küniglberg: Es ist das Fernsehen, das wichtigste Medium und das wirkungsvollste. Die Begehrlichkeiten aus der Politik treffen den ORF auch deshalb so wuchtig, weil er quasi der Republik gehört. Daraus ergibt sich für viele Politiker und deren Pressesprecher ein grundlegendes Missverständnis: Sie meinen, der ORF gehöre im übertragenen Sinne ihnen, sie könnten hier Eigentümerrechte geltend machen, auf das Objektivitätsgebot pochen, ganz subjektiv natürlich.

Interventionen passieren da ganz beiläufig, ohne Androhung von Konsequenzen. Man weiß ja, an wen man sich wenden muss. Viele Redakteurinnen und Redakteure sind politisch zuordenbar. Wer Karriere machen will, muss "verlässlich" sein. Rot, schwarz.

Kaum eine oder einer hält das Fähnchen der Unabhängigkeit hoch, das wird allzu oft als Mangel missinterpretiert: Da hat er keine Insider-Kontakte, kommt sie an keine Infos heran. Gehört nicht dazu. Ein paar wenige deklarierte Grüne und Freiheitliche gibt es übrigens auch. Und natürlich weiß auch ein Peter Pilz, wo er anrufen muss, wenn er vorkommen will.

Der Aufstand gegen die Bestellung von Niko Pelinka als Büroleiter von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hat offenbar vielen Mut gegeben, politische Einflussnahme nicht als selbstverständlich hinzunehmen. Aber mittlerweile funktioniert das Geschäft mit den Nachrichten wieder reibungslos. Man kennt einander ja.

Ungeniert interveniert wird interessanterweise in der Austria Presse Agentur, kurz APA, die im Eigentum verschiedener österreichischer Medien steht und schon kraft dieser Eigentumsverhältnisse die Unabhängigkeit hochhält. Nach Schilderung von dort beschäftigten Kolleginnen und Kollegen versuchen sich bei der APA regelmäßig Politikvertreter ihr Mütchen zu kühlen, wenn sie eine bestimmte Berichterstattung einfordern oder verhindern wollen.

In Deutschland ist vergangene Woche ein CSU-Sprecher zurückgetreten, weil er bei einer ZDF-Informationssendung interveniert hat. Angeblich wollte er einen Beitrag über die SPD und deren Spitzenkandidaten, den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, verhindern. In Österreich ist wegen solch dreister Interventionen noch niemand zurückgetreten. Im Gegenteil: Da würde dem forschen Sprecher im Kollegenkreis aufmunternd auf die Schulter geklopft.

Viel übler als die manchmal auch dümmlichen Drohungen sind aber jene Interventionen, die darauf abzielen, die wirtschaftliche Existenz von Medien anzugreifen. Der Verweis, man müsse in dieser Tageszeitung ja nicht mehr inserieren, erfolgt oft sehr subtil. Kann aber in der Tat sehr schmerzhaft sein, der STANDARD weiß das.

Es ist eine Vision: dass Politik eine Botschaft hat, dass Politiker etwas zu sagen haben, dass es Inhalte, Werte und Überzeugungen gibt, dass es eine Streitkultur gibt - und nicht nur Sprechblasen. Dann wären Interventionen hinfällig. (Michael Völker, DER STANDARD, 30.10.2012)