Der Vorschlag einer Reihe von Experten, in Österreich grundlegende Reformen im Pensionsbereich vorzunehmen, hat in mehreren "Kommentaren der anderen" im STANDARD seinen Niederschlag gefunden. Zuletzt haben sich AK-Präsident Herbert Tumpel und ÖGB-Präsident Erich Foglar an dieser Stelle strikt gegen solch eine Reform positioniert. Ihre Argumentation ist leider so simpel wie unsachlich. Symptomatisch dafür: am Ende des Artikels der typische Appell, die "unsachliche Verunsicherung" junger wie älterer Menschen zu beenden. Ein Wechsel zu einem beitragsorientiertem Modell sei zudem abzulehnen, da er nur zu einem führen würde: "Altersarmut".

In typisch österreichischer Manier werden hier Maximalpositionen eingenommen und die "Insel der Seligen" beschworen. Unser Pensionssystem sei ja sowieso sicher, und bis 2060 würden die öffentlichen Pensionsausgaben "nur" von derzeit 14,1 auf 16,1 Prozent steigen. Gleichzeitig wird Sachlichkeit gefordert. Also, dann ganz sachlich: Um eine "Verunsicherung" gerade bei den Jungen braucht sich niemand mehr bemühen, der Schaden ist bereits angerichtet. Laut "Jugendmonitor" des BMWFJ glauben nur 14 Prozent der Jugendlichen, dass das Pensionssystem "langfristig" gesichert sei, 73 Prozent sprechen sich hingegen für "grundsätzliche Reformen" aus.

Der Ehrlichkeit halber sei zugegeben, dass der Ruf "das Pensionssystem ist sicher" durchaus seine Berechtigung hat: Das System wird per se nicht kollabieren - solange wir auch weiterhin ordentlich Steuergeld zuschießen. Eben da liegt aber der Hund begraben: Bei Bildung und Ausbildung - von den Zinszahlungen für die bereits vorhandenen Schulden einmal abgesehen - fehlt hinten und vorne das Geld, und das, obwohl wir im internationalen Vergleich bereits ein Höchststeuerland sind. Aufgrund der Demografie wird die Geldknappheit weiter zunehmen.

Außerdem ist es verwunderlich, dass mitten in der Krise noch immer versucht wird, mit Prognosen bis 2060 (!) zu beruhigen. Wer weiß schon, was passieren wird? Ganz Europa ist in der Krise. Sollten nicht gerade Arbeiterkammer und Gewerkschaft Interesse daran haben, jetzt, wo es uns in Österreich noch vergleichsweise gut geht, Kosten zu dämpfen, Mehreinnahmen zu erzielen, um notfalls finanziellen Spielraum zu haben, sollte es uns bald vielleicht nicht mehr so gut gehen? Keiner wünscht sich das, aber der Kluge sorgt in guten Zeiten für schlechte vor.

Das Totschlagargument "Altersarmut" ist im Übrigen nichts anderes als präventive Gesprächsverweigerung und alles anderes als gestalterische Politik.

Die Junge Industrie hat sich bereits 2010 ein beitragsorientiertes Pensionsmodell ausarbeiten lassen. Dieses aber sieht, wie unser jetziges System auch, Ausgleichszulagen - vulgo fälschlicherweise oft als "Mindestpension" bezeichnet - vor. Dies ließe sich teilweise aus den Beiträgen der Aktiven, die zwei Prozent ihrer Beiträge auf ein solidarisches Konto einzahlen, finanzieren.

Klar ist aber auch: Ganz ohne staatliche Zuschüsse wird es wohl nicht gehen. Aber jeder Euro, den wir im Pensionsbereich durch kluge Reformen einsparen, wäre frei für zukunftsorientierte Maßnahmen.

Es kommt eben immer darauf an, wie man ein System im Detail ausgestaltet. Jegliche Reformvorschläge von vornherein als "unmöglich" abzukanzeln ist sehr österreichisch - und greift leider zu kurz. Gerade von AK und ÖGB wäre mehr als reiner Konservativismus zu erwarten. Vor allem: Heißt es nicht (zu Recht), dass gerade im ASVG der Deckungsbeitrag der Pensionen über 90 Prozent liegt? Und sollten nicht gerade AK und ÖGB als "Anwälte" der "Kleinen" - und diese sind zum Großteil im ASVG versichert - agieren?

Woher aber kommen denn die hohen Kosten im Pensionssystem? Von allzu vielen Schlupflöchern und Sonderregelungen, gerade im öffentlichen Bereich - von manchen Bundesländern, bzw. vor allem der Stadt Wien, der PVA, den ÖBB, der OeNB, etc. Die sogenannte "Hacklerregelung" mag mittlerweile langsam, zum Auslaufmodell werden. Vergessen sollte man aber nicht, dass diese "Übergangslösung" unter dem Deckmantel sozialer Verantwortung ("45 Jahre sind genug!") immer wieder verlängert wurde. Nutznießer waren aber nicht "Hackler", also etwa Arbeiter oder "kleine" Angestellte - sondern zum Großteil Beamte, die nach Nachkauf von Ersatzzeiten vor der Zeit mit überdurchschnittlichen Pensionen in den Ruhestand gehen konnten. Die Kosten tragen alle - sieht so Gerechtigkeit aus?

Abschließend noch eine Bemerkung im Sinne des "sozialen Gewissens": In Österreich sind Geringverdiener bekanntlich von der Steuerpflicht befreit. Auch diverse Gebühren (ORF, Telefon) werden ihnen zu Recht nicht aufgebürdet. Selbst diese müssen aber Monat für Monat brav für Ihre Zwangsmitgliedschaft in der AK bezahlen - pro Jahr bringt das der AK rund 40 Millionen Euro. Geld, mit dem die AK wiederum Werbespots produziert, die mit zweifelhaften Zahlen darauf abzielen, klassenkämpferische Neidkomplexe zu befördern. Ist das Fairness? (Therese Niss, DER STANDARD, 30.10.2012)