Vilnius/Wien - Bei der zweiten Runde der Parlamentswahl in Litauen hat sich am Sonntag der vor zwei Wochen manifestierte Linksruck bestätigt. Der Wahlsieger der ersten Runde, die populistische Arbeitspartei des russischstämmigen Unternehmers Viktor Uspaskich, fuhr diesmal ein bescheideneres Ergebnis ein und landete nur auf dem dritten Platz. Die Sozialdemokraten behielten gegenüber den Konservativen des bisherigen Premiers Andrius Kubilius mit vorläufig 38 gegenüber 33 Mandaten von insgesamt 141 im Seimas die Nase vorn.

Sozialdemokratenchef Algirdas Butkevicius hat somit vorerst alle Trümpfe in der Hand - und das, obwohl Präsidentin Dalia Grybauskaite nach geschlagener Wahl am Montag verkündete, dass sie eine Regierungsbeteiligung der überproportional mit Korruptions- und Stimmenkaufvorwürfen konfrontierten Arbeitspartei missbillige. Butkevicius reagierte mit Gesprächsbereitschaft und bekräftigte, notfalls auch mithilfe anderer Parteien eine Regierung zustande bringen zu können.

Als Hauptgrund für die Niederlage der Rechtskoalition gelten die Sparmaßnahmen. Nach der Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 sparte die Kubilius-Regierung das Land unter dem Beifall der EU und westlicher Finanzinstitutionen zurück in die Wachstumszone - zuletzt legte das BIP um 4,4 Prozent zu. Erzielt wurde das großteils auf Kosten der Bevölkerung, die kräftige Lohneinbußen hinnehmen musste. Butkevicius hatte im Wahlkampf versprochen, die Minimallöhne zu erhöhen und hohe Einkommen künftig höher zu besteuern. (Andreas Stangl, DER STANDARD, 30.10.2012)