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Die Datierung des Körperschmucks aus der Grotte du Renne weist darauf hin, dass er von Neandertalern hergestellt wurde.

Foto: dapd/ Marian Vanhaeren/ Francesco dErrico/ Michele Julien

Leipzig  - Das Bild vom Neandertaler als tumbem Urzeitwilden hat sich dank zahlreicher Funde in den letzten Jahrzehnten entschieden gewandelt. Inzwischen gehen die Forscher davon aus, dass der Neandertaler auch in der Lage war, anspruchsvolle Werkzeuge herzustellen - vermutlich allerdings hat ihm dabei der moderne Mensch auf die Sprünge geholfen. Die Experten glauben nämlich, dass es die Neandertaler und nicht Vertreter des modernen Homo sapiens waren, die hochwertige Werkzeuge und Körperschmuck aus der archäologischen Kultur des Chatelperronien (CP) gefertigt haben.

Über die Frage, ob Neandertaler oder moderne Menschen die aus dieser Kulturstufe in Frankreich bei Chatelperron gefundenen Gegenstände geschaffen haben, wird unter Experten schon lange gestritten. Die Kulturstufe Chatelperronien ist eine sogenannte Übergangsindustrie. Sie lag am Übergang vom Mittel- zum Jungpaläolithikum. Unstrittig ist, dass die Vorgängerstufe, das Mousterien mit seinen Steinwerkzeugen, zu den Neandertalern gehört. Die nachfolgende Stufe Aurignacien wird modernen Menschen zugeordnet.

Bisher konnten die Schöpfer der Chatelperronien-Kultur nicht eindeutig identifiziert werden. Daher untersuchten Wissenschafter unter Leitung von Jean-Jaques Hublin vom Leipziger Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie 40 gut erhaltene Knochenproben aus der französischen Grotte du Renne, wo CP-Materialien enthalten waren, sowie ein Neandertaler-Skelett. "Leipziger Wissenschaftler nutzen die modernsten Techniken zur Radiokohlenstoff (14C)-Datierung von Knochen", betonte Hublin.

Kultureller Austausch vor über 40.000 Jahren

Die Experten extrahierten Kollagen aus den Knochenproben, dessen Alter sie mittels Isotopenmessung bestimmten. Ein Beschleuniger-Massenspektrometer lieferte präzise Daten. Das Ergebnis: Das Neandertaler-Skelett passt mit seinem Alter von etwa 41.500 Jahren in die zu Ende gehende Zeitperiode des Chatelperronien. Das Team sieht darin die Bestätigung, dass die Neandertaler die anspruchsvollen Gegenstände in der CP-Kultur geschaffen haben.

"Aufgrund der Datierungsergebnisse gehen wir davon aus, dass Neandertaler komplexe Knochenwerkzeuge und Schmuck erst produzierten, nachdem moderne Menschen diese neuen Verhaltensweisen in Westeuropa eingeführt hatten", erklärte Hublin. Daher halten es die Forscher für wahrscheinlich, dass die Gruppen in kulturellem Austausch standen. Vor 50.000 bis 40.000 Jahre verdrängte schließlich der moderne Mensch den Neandertaler. (APA/red, derstandard.at, 30.10.2012)