Anfang März 2010 wurde zum ersten Mal klar, welches Unheil wohl über die katholische Kirche in Österreich hereinbrechen wird. Der Abt von St. Peter in Salzburg - immerhin das älteste Kloster im deutschen Sprachraum - gesteht, Ende der 1960er-Jahre einen zwölfjährigen Buben missbraucht zu haben. Am 9. März tritt der bekannte Ordensmann zurück. Nationale und internationale Medien berichteten entsprechend darüber. Nur die Pfarrer-Initiative rund um Helmut Schüller scheint das mediale Echo nicht gehört zu haben. Dort ist der Salzburger Ex-Abt nämlich bis dato Mitglied - gemeinsam mit einem weiteren Pfarrer, der unter Missbrauchsverdacht steht.

Sollte etwa die Nachricht der späten Beichte von Abt Bruno die Pfarrhof-Rebellen nicht erreicht haben, ist dies angesichts der Tragweite des Falles befremdlich. Dass aber jetzt ausgerechnet eine Organisation, die gerne lautstark die verkrusteten Strukturen der Kirche kritisiert, im Fall eines geständigen Kinderschänders in den eigenen Reihen zuerst im Vorstand einen Regelkatalog für die weitere Vorgehensweise beschließen muss, um dann noch eine eingehende Prüfung beider Fälle anzukündigen, ist eine Schande. Zur Erinnerung: Es war Schüller, der ab 1996 als Leiter der Ombudsstelle der Erzdiözese Wien Regeln für kirchliche Mitarbeiter im Umgang mit Missbrauch verfasste.

Zumindest Gehorsam dem eigenen Gewissen gegenüber sollte man auch den "Ungehorsamen" abverlangen können. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 31.10./1.11.2012)