Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán sieht sich dazu berufen, die Macht auf lange Zeit auszuüben. Kurz vor der Wahl 2010, die ihn mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament ausstattete, meinte er, dass "für die nächsten 15 bis 20 Jahre ein zentrales Kraftfeld" die Geschicke Ungarns bestimmen müsse - mit ihm im Mittelpunkt, ohne die störende Aussicht auf eine eventuelle Abwahl.
Manche, vor allem in den christdemokratischen europäischen Partnerparteien von Orbáns Fidesz (Bund Junger Demokraten), wollten diese Rhetorik des Rechtspopulisten als etwas kraftvoller geratene Metaphorik eines Wertkonservativen abtun.
Doch Orbán schritt zur Tat. Ein neues, restriktives Medienrecht entstand, die Kompetenzen des Verfassungsgerichts wurden beschnitten. Eine neue Verfassung zementiert die Macht der gegenwärtigen Zweidrittelmehrheit ein. Staat und Gesetz werden zunehmend auf Orbáns Machtbedürfnisse zugeschnitten.
Orbán zieht die Schrauben weiter an und überschreitet einen Limes: Denn die Verankerung der verpflichtenden Wählerregistrierung in der Verfassung - ein dazugehöriges Gesetz wird bald folgen - schränkt indirekt das Wahlrecht ein. Orbáns Freunde in den europäischen Volksparteien sind gefordert: Sie müssen ihm auf die Finger klopfen, bevor er aus Ungarn ein Weißrussland in der EU macht. (Gregor Mayer, DER STANDARD, 31.10.2012)