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Die Kritik an Tim Cook wird immer lauter: Ist er ein geeigneter Apple-Chef?

Foto: Reuters

"Unter Steve Jobs hätte es das nicht gegeben" ist ein scherzhafter Satz, der Beobachtern der Technologie-Szene immer öfters über die Lippen rutscht. Doch was ist wirklich dran an der Kritik an Tim Cook, der das Unternehmen nach Steve Jobs' Tod übernommen hat und damit ins eiskalte Wasser geworfen wurde?

Kein iPad Mini unter Steve Jobs

Vor kurzem präsentierte Apple das iPad Mini. Ein Gerät, mit dem eigentlich niemand gerechnet hat. Zwar gab es einige Wochen im Voraus Gerüchte über das Erscheinen des sagenumwobenen 7,9-Zoll-Tablets aus Cupertino, recht glauben wollte es aber eigentlich niemand. Schon gar nicht Branchenbeobachter, die das Unternehmen Apple seit Jahren im Auge haben. Steve Jobs, der schon Jahre zuvor ein kleineres Tablet für Schwachsinn hielt, würde sich nach Meinung der Kritiker vermutlich im Grab umdrehen. Doch an der Macht bei der wertvollsten Marke der Welt ist mittlerweile Tim Cook. Ein Mann, der Industrial Engineering studiert hat und in den Augen vieler Beobachter lediglich ein Betriebswirt ist.

Besuch bei Foxconn

Lässt man beiseite, was seit der Zeit nach Steve Jobs' Ableben bei Apple Negatives passiert ist, wird man feststellen, dass Tim Cook dem Unternehmen gut getan hat. Er hat sich als wahrhafter König des Supply Managements herausgestellt, der es versteht, Abläufe in der Fertigung, die Bereitstellung von Ressourcen und die Beziehung der Zulieferer zu verbessern. So hat Tim Cook nach etlichen Gerüchten und Skandalen rund um seinen wichtigsten Partner Foxconn wieder klare Verhältnisse geschaffen. Er ist nach China gereist und hat sich das Werk mit eigenen Augen angesehen. Qualitätsverbesserung und Krisenmanagement waren danach Schlagwörter, die für Apple zu einem wichtigen Punkt wurden. Denn die Kritik an Foxconn hat Apple in seinem Ansehen massiv geschaden.

Klare Verhältnisse

Wie auf Twitter scherzhaft vom User @EinStueckKaese bemerkt wurde, werden auch bei anderen Herstellern die Geräte nicht "in der Freizeit von Milionären gebastelt", die Kritik an Apple wurde allerdings angesichts seiner Präsenz immer lauter: Schlechte Arbeitsverhältnisse, massive Überstunden, Zwangsarbeit von Studenten und der Einsatz Minderjähriger wurden von fast allen Medien aufgegriffen. Und Apple hat reagiert. Unvorstellbar für einen Steve Jobs, der sich um diese Dinge in früheren Zeiten kaum gekümmert hat. Jobs hat in seinen Führungszeiten nicht einmal Gespräche mit Gesellschaftern gesucht. Tim Cook hingegen ist bemüht die Verhältnisse klarzustellen und den Konsumenten als auch den Mitarbeitern ein Gefühl zu geben, dass alles in Ordnung ist und man sich keine Sorgen machen muss.

Kratzer am iPhone 5: Ein Faux-Pas

Tim Cook war auch derjenige, der auf den Tisch gehauen hat, als die ersten Berichte über beschädigte Modelle des iPhone 5 veröffentlicht wurden. Kratzer auf nagelneuen Geräten. Ein Umstand, das ein Unternehmen wie Apple, das auf so winzig kleine Details wie Typographie und Schattierungen bei Icons achtet, sich nicht erlauben kann. Qualitätsmanagement war zu wenig: Tim Cook hat Foxconn ermahnt und neue Kriterien in das Unternehmen gebracht, die die Fertigung verbessern sollten, um solche Faux-Pas in Zukunft zu vermeiden.

Sorry für Apple Maps

Doch nicht alles, was der Apple-Chef im Moment macht, stößt auf Verständnis. Apple baute jüngst in seinem Team massiv um. Scott Forstall, der für Apple Maps verantwortlich war, musste gehen. Zum ersten Mal in der Firmengeschichte musste sich Apple für ein Produkt entschuldigen. Tim Cook hat eine Stellungnahme zu dem Fiasko rund um den hauseigenen Kartendienst veröffentlichen müssen. Der öffentliche Druck war zu groß als dass er ignoriert hätte werden können.

Was fehlt: Ein Visionär

Jonathan Ive, seit 15 Jahren Chef-Designer bei Apple, wird nun auch zuständig für das Human Interface beim Technologie-Unternehmen. Der "Design-Guru" bekommt somit mehr Macht und Freiheit im Konzern als er ohnehin schon hatte. Denn Kritiker sehen den 45-Jährigen lieber in der Rolle der tragenden Schlüsselfigur als Tim Cook. Cook ist ein genialer Betriebswirt, dessen sind sich alle sicher, der es versteht Supply Management zu handhaben und schnelle, wenn nicht sogar rasante Bereitstellung von Produkten zu ermöglichen. Doch dem Unternehmen fehlt ein Visionär, wie es zuletzt Steve Jobs demonstriert hat. Dieser Aufgabe sei Ive besser gewachsen als Cook, so die Stimmen.

Es wirkt einstudiert

Nicht nur Apple Maps machen dem Konzern im Moment zu schaffen. Auch die Kritik am iPad Mini, einem Gerät, das unter Steve Jobs niemals auf den Markt gekommen wäre, ist nicht unberechtigt. Mit einem genialen Design, das vor allem vermutlich durch Jony Ive zustande gekommen ist, fehlt es dem Gerät an Innovation und dem berühtem "Will-Haben-Faktor". Ein Display, das im Vergleich zu anderen Apple-Displays von vielen Medien die Note "mangelhaft" bekommt, lässt Tim Cook in einem schlechten Licht zurück. Und nicht zuletzt ist es der Auftritt des Apple-Chefs, der die Gemüter zum Nachdenken bringt. "Amazing", "beautiful", "best thing ever" sind Aussagen, die man einem Tim Cook nicht abkauft. Es wirkt aufgesetzt, einstudiert und kalkuliert. Steve Jobs hat dieses sogenannte "Bullshit-Bingo" ebenfalls gespielt. Doch das Spiel war bei Jobs purer Ernst, der zahlreiche Abnehmer fand.

Auf der Suche nach der Vision

Tim Cook hat ein schweres Erbe angetreten. Eine Lücke, die bei Apple nur durch einen Visionär geschlossen werden kann. Dass Cook bei Präsentationen des in Cupertino ansässigen Unternehmens dem Publikum nicht ins Auge sehen kann, sondern rasend auf der Bühne hin und her spaziert, um Floskeln vor die Füsse der Medien zu werfen, die man ihm nicht abkauft, wird zu einem großen Problem: Man nimmt es ihm nicht ab. Es braucht einen Tim Cook in einem Unternehmen wie Apple. Einer, der es versteht, wie Dinge ablaufen und wie man sie verbessern kann. Was dem Unternehmen allerdings im Moment fehlt ist ein Mission Statement, das den iPhone-Produzenten wieder zu einem Visionär der Usability, des Interface, der Genialität seiner Produkte macht. (iw, derStandard.at, 02.11.2012)