Zwei Fragen zum Thema Steak treiben mich schon länger um: Wie lange kann man ein Stück Fleisch liegen lassen und es damit immer besser machen, bevor es Richtung Ungenießbarkeit tendiert? Und wie schmeckt eigentlich Heston Blumenthals 24-Stunden-Steak? Der Vorsatz war, beide Fragen gleichzeitig zu beantworten, zumindest teilweise ist es mir gelungen.

Die großartigen Ringls (denen jetzt auch hier ein Denkmal gesetzt wurde) waren so nett, mir ein mächtiges Stück Rind acht Wochen zurückzulegen und reifen zu lassen. Acht Wochen gelten etwa als die längste Zeitspanne, die tatsächlich noch Verbesserungen in der Qualität bewirkt, danach soll der Fleischgeschmack langsam in Richtung Blauschimmel kippen und eher was für Fans werden. Ich habe es nicht überprüft, bin aber geneigt, dem Glauben zu schenken. Optisch zumindest kann ich mir nicht vorstellen, dass mein Fleisch es viel länger ausgehalten hätte. Oben: zwei Wochen alt. Unten: sechs Wochen später.

Foto: Tobias Müller
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Zum Reifen bedarf es eines Kühlraums oder -schranks, der nicht ständig geöffnet wird und also seine Temperatur relativ konstant relativ niedrig hält. Der heimische Eiskasten ist also eher ungeeignet. Zudem muss die Luftfeuchtigkeit stimmen: Um die 85 Prozent gelten in etwa als ideal. Wenn Fleisch unter diesen Bedingungen liegen gelassen wird, passiert Folgendes: Enzyme im Fleisch verwandeln Proteine, Fett und Glykogen in Aminosäuren, Fettsäuren und Zucker. Eine der wichtigsten dieser Aminosäuren ist Glutamat, ein Stoff, der ganz allgemein dafür sorgt, dass etwas umami oder einfach geil schmeckt (danke, Harold McGee und Lucky Peach).

Bei meinem Stück handelte es sich um ein Ribeye samt Umgebung, also Kruspelspitz und ein weiteres Suppenstück, dessen Namen ich nicht mehr weiß. Um Fleisch reifen zu lassen, braucht man ein großes, fettes Stück: Die äußeren Teile sind nicht mehr zum Verzehr geeignet, es muss also möglich sein, sie wegzuschneiden und nachher trotzdem noch was zu essen zu haben. Mein Teil wog ursprünglich 18,3 Kilo inklusive Knochen, am Ende der Reifezeit waren es noch 16,5. Abzüglich Knochen (5,6 Kilo) und nicht mehr genießbaren Teilen blieben 5,4 Kilo Fleisch.

Foto: Tobias Müller

Zugegeben, das ist nicht sehr ressourcenschonend. Der Geschmack war aber überwältigend. Vielleicht war's die Euphorie über den Selbstversuch, aber ich täte sagen: Sehr, sehr selten habe ich ein solch fleischiges Stück Fleisch gegessen. Herrlich. Großartig. Ein Traum. Und sogar die Marmorierung war für österreichische Verhältnisse beeindruckend. Daher: Lieber halb so viel Fleisch gereift essen als doppelt so viel frisch.

Foto: Tobias Müller

Zur Garmethode: Freund M. hat vor einiger Zeit auf Ebay einen Immersion Circulator erstanden, ein Gerät, das gern Labors benutzen, um Gefrierproben aufzutauen oder ihre Bakterienkulturen auf konstanter Temperatur zu halten. In der Küche wird es zum Sous-Vide-Garen verwendet.

Das Ding besteht aus einem Wasserbecken und einem Gerät, das ein bisschen einer Pumpe in einem Aquarium ähnelt: Es saugt das Wasser ein, erhitzt es auf eine bestimmte Temperatur und pumpt es wieder ins Becken. In dieser bewegten, sehr konstant warmen Suppe lässt sich allerlei Vakuumiertes wunderbar stundenlang garen.

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Weil das Ding nun einmal da war, haben wir schließlich doch nicht die Heston-Methode genommen, sondern uns an diesem äußerst steakkundigen Menschen orientiert. Sous-Vide-Steaks haben einen großen Vorteil: Während gebratene Steaks unweigerlich unterschiedliche Temperaturen haben, das Fleisch also innen weniger durch ist als außen, kann der Sous-Vide-Kocher seinem Steak überall die perfekte Garstufe verleihen.

Mr. Arnold hat nach einigen Tests beschlossen, sein Sous-Vide-Steak erst vor dem Servieren zu salzen, weil es sonst durch das Rasten einen etwas gepökelten Touch bekommt. Zudem wurde das Fleisch bei seinem Versuch durch das Über-Nacht-Rasten noch zarter. Wir haben uns dieser Erkenntnis angeschlossen.

Zum Geschmacksvergleich angetreten ist das Sous-Vide-Steak gegen den härtesten mir bisher bekannten Gegner: Alain Ducasses Buttersteak, das bereits einmal eine Heston-Kreation geschlagen hat. Geschnitten wurden beide übrigens aus dem gleichen Stück Fleisch.

Acht Wochen trocken gereiftes Sous-Vide-Steak

Den Fleischer Ihres Vertrauens davon überzeugen, dass er Ihnen ein gutes Stück Fleisch acht Wochen abhängen lässt. Bis es so weit ist, haben Sie genug Zeit, ein Sous-Vide-Gerät zu kaufen oder einen Freund zu finden, der eines hat.

Von dem Steak ordentliche Schnitten abschneiden, mindestens drei Zentimeter. Nicht salzen, dafür ordentlich anbraten. Der Schritt dient nicht nur der Aromabildung, sondern auch der Desinfizierung und soll dafür sorgen, dass während des langsamen Garens bei sehr niedrigen Temperaturen nicht allzu viele Bakterien auf dem Fleisch wachsen.

Butter schmelzen und das Steak zusammen mit der flüssigen Butter in einem Plastikbeutel vakuumieren. Das Fleisch soll überall gut von Butter umgeben sein, wir haben etwa 50 Gramm pro Steak genommen, wenn ich mich recht erinnere.

Foto: Tobias Müller

Wer keinen Vakuumierer hat (wie ich), greift auf den Trick zurück, der schon bei den Erbsen zum Einsatz kam: Fleisch und Butter in einen verzippbaren Gefrierbeutel packen und diesen langsam in einem Topf Wasser versenken, bis nur mehr der Verschluss herausschaut. Dann erst zuzippen. Das ergibt zwar kein Vakuum, wie es sich ein Physiker wünscht, reicht aber für den Heimgebrauch völlig aus.

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Das Fleisch bei 54 Grad etwa zwei Stunden in dem Wasserbecken garen. Dann aus dem Sack nehmen und über Nacht im Kühlschrank rasten lassen – am besten auf einem Gitter, so dass es nicht im eigenen Saft liegt. Eine Stunde vor dem Servieren salzen, erneut mit Butter vakuumieren und bei 51 Grad eine Stunde aufwärmen. Die Idee ist, dass die Aufwärmtemperatur unter der Gartemperatur liegt, um nicht Gefahr zu laufen, das Fleisch zu übergaren. Vor dem Servieren nochmals scharf anbraten, aufschneiden und auftischen.

Foto: Tobias Müller

Das Buttersteak wurde wie gehabt zubereitet.

Foto: Tobias Müller

Der Sieger

Was soll ich sagen, wieder einmal hat sich das Buttersteak durchgesetzt. Das Sous-Vide-Steak war zwar zarter, ihm fehlte aber etwas die Tiefe im Aroma, das Buttersteak war noch eine Spur fleischiger, umamiger, buttriger. Zumindest zum Steakbraten brauche ich also kein Sous-Vide-Gerät. Beruhigend. Und das nächste Mal gibt's dann wirklich ein 24-Stunden-Steak. (Tobias Müller, derStandard.at, 4.11.2012)