Gibt es keine Einigung zwischen Regierung und Grünen, bleiben die Abgeordneten außen vor.

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Wien - Griechenland ist ein gutes Beispiel dafür, dass die heimischen Nationalratsabgeordneten nur wenig Mitbestimmungsrechte bei Rettungsaktionen auf europäischer Ebene haben. Gäbe es, wie aktuell diskutiert, einen neuerlichen Schuldenschnitt oder eine Fristerstreckung für die Schuldenrückzahlung, müsste darüber im Parlament in Wien nicht neuerlich abgestimmt werden. Der Grund dafür: Die bisherigen Zahlungen an Hellas wurden bilateral oder im Rahmen des provisorischen Rettungsschirms EFSF abgewickelt.

Mit dem Dauerrettungsschirm ESM sollten diese Probleme behoben werden. Mit ihm haben die Nationalratsabgeordneten - theoretisch - umfassende Mitwirkungsrechte erhalten. Auf einen Teil dieser Rechte warten sie aber immer noch. Konkret gesagt: Stellt ein EU-Land beim ESM den Antrag, der Fonds möge am Markt befindliche Staatsanleihen aufkaufen, um so die Zinslast zu senken, müsste im Parlament ein zur Geheimhaltung verpflichteter Ausschuss tagen. Geheim deshalb, weil eine frühzeitige Information der Öffentlichkeit die Wirkung gefährden könnte.

Erster Entwurf

Der geheime Ausschuss kann allerdings, wie berichtet, erst tagen, wenn es Insiderregeln für die Abgeordneten gibt. Bis Ende Oktober sollten Finanz- und Justizministerium konkrete Vorschläge erarbeiten. Ein erster Entwurf ist laut Finanzressort auch bereits fertig. Für kommenden Dienstag ist ein Ministerratsbeschluss anvisiert. Danach beginnen die parlamentarischen Verhandlungen.

In trockenen Tüchern ist die Causa damit aber noch lange nicht. Die Grünen, auf deren Zustimmung die Koalition angewiesen ist, wollen nun gar keine gesetzlichen Verschärfungen haben, wie Europasprecher Bruno Rossmann zum Standard sagte. Ein Verweis auf die bestehenden Immunitätsregeln sei ausreichend. Schon bisher drohe bei Geheimnisverletzung in vertraulichen Ausschüssen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.

Noch im Sommer haben die Grünen freilich zugesagt, mehrere Gesetze (Börsegesetz, Finanzmarktaufsichtsgesetz, Geschäftsordnungsgesetz) zu ändern. "Das braucht es aber alles nicht", sagt Rossmann nun. Man solle sich an Deutschland orientieren, wo es auch keine eigenen Sondergesetze gebe. "Wir müssen nicht deutscher sein als die Deutschen." Allerdings: Im Nachbarland gibt es generell sehr strenge Geheimhaltungsbestimmungen für die Abgeordneten.

Hohe Hürde?

Halte man sich an die bestehenden Vorgaben, könnte der vertrauliche Ausschuss im Parlament rasch die Arbeit aufnehmen, argumentiert Rossmann. Komplizierte Gesetzesentwürfe könnten zu weiteren Verzögerungen führen. Er vermute aber ohnehin, dass die Regierung die Hürde so hoch legt, damit es zu keiner Einigung kommt. Die Folge: Sollte ein Land tatsächlich um eine Anleihenintervention beim ESM ansuchen, könnten die Abgeordneten nicht vorab informiert werden. (Günther Oswald, DER STANDARD; 3./4.11.2012)