Washington/Wien - Bei Wahlen in Europa wäre eine Beteiligung von 55 Prozent oder weniger eine Katastrophe - nicht so in den USA: Dort sind noch nie mehr als 63,3 Prozent der Wahlberechtigten zur Urne gegangen: Das war 1952, als Dwight D. Eisenhower siegte. Ähnlich hohe Werte gab es seitdem nur bei der Wahl von John F. Kennedy 1960 und von Barack Obama 2008. Die wenigsten Wähler gab es 1996: Damals holte sich Bill Clinton die Stimmen für eine zweite Amtszeit bei nur 49,1 Prozent der Wähler ab. In Österreich gingen bisher zwischen 95,49 Prozent (1949) und 78,48 Prozent (2006) zur Wahl.

Die Demoskopen des renommierten Pew Research Center in Washington rechnen für den kommenden Dienstag mit einer Wahlbeteiligung auf üblichem Niveau: Rund 43 Prozent der Wahlberechtigten werden zu Hause bleiben - fast die Hälfte des Elektorats liegt de facto brach. Kein Wunder, dass die Kampagnenmanager von Obama und Mitt Romney in den letzten Tagen noch gezielt versuchen, die Nichtwähler anzusprechen.

Vor allem der Demokrat Obama könnte dabei punkten: Der Amtsträger genießt bei fast zwei Dritteln jener, die nicht zur Wahl gehen wollen, prinzipiell Sympathie. Sein Herausforderer Romney hingegen nur bei einem Viertel - ein gewaltiger Unterschied zu jenen Befragten, die die Absicht haben, sehr wohl ihre Stimme abzugeben: Dort liegen die beiden seit Wochen Kopf an Kopf bei jeweils rund 47 Prozent.

Der Großteil der Nichtwähler verweigert die Stimmabgabe, weil für sie kein Kandidat wählbar ist. 44 Prozent bezeichnen sich als unabhängig, 29 Prozent zu den Demokraten tendierend. Nur 17 Prozent der Republikaner-Sympathisanten wollen nicht wählen gehen - ein Hinweis darauf, dass es die Grand Old Party offenbar besser versteht als die Demokraten, die eigenen Leute zur Stimmabgabe zu motivieren.

Demografisches Problem

Die Schwelle, wählen zu gehen, dürfte bei Nichtwählern ziemlich hoch sein: Fast alle erklären, kein oder nur geringes Interesse an Politik zu haben.

Signifikant ist auch ihre demografische Struktur: Sie sind mehrheitlich weniger wohlhabend und weniger gebildet als aktive Wähler. Nur 13 Prozent (Wähler: 38 Prozent) haben einen Hochschulabschluss. Und weit über ein Drittel der Nichtwähler ist jünger als 30 Jahre - auch die US-Politik hat also ein prinzipielles Problem, die junge Generation anzusprechen. (Gianluca Wallisch /DER STANDARD, 3.11.2012)