Wien - Der österreichische Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl hat am Sonntag in der "Pressestunde" vor einem Zerfall der Eurozone gewarnt und sich dafür ausgesprochen, dem maroden Griechenland "weitere Bluttransfusionen" zu gewähren. Zur Untermauerung seiner Forderung präsentiert Leitl eine neue Analyse des Instituts für Höhere Studien (IHS) über die Folgen eines Eurozusammenbruchs für Österreich.
Ein Blick in die IHS-Studie zeigt allerdings, dass ein Grexit für Österreich nur moderate Kosten bedeuten würde. Laut Schätzung des Instituts würde die heimische Wirtschaft im ersten Jahr nach dem Austritt Griechenlands im Vergleich zu einem Basisszenario, in dem die Schuldenkrise gelöst wird, um ein Prozent schrumpfen. Bis zum Jahr 2016 wäre das Bruttoinlandsprodukt um vier Milliarden Euro niedriger, und die Arbeitslosigkeit würde um 0,2 bis 0,4 Prozent zunehmen.
Düstere Aussichten bei Euro-Kollaps
Weit düsterer sind die IHS-Szenarien über einen völligen oder teilweisen Zerfall der Eurozone. Dabei würde Österreich über mehrere Kanäle getroffen: Allein die Haftungen der Republik gegenüber den südlichen Krisenländern belaufen sich laut IHS auf 82,3 Milliarden Euro, wobei rund die Hälfte dieser Summe aus dem Verrechnungssystem der Euronotenbanken (Target 2) stammt.
Ein großer Teil dieser Forderungen wäre bei einem Kollaps des Euroraums verloren. Der Staat müsste massiv einsparen, was den Konsum belasten würde. Auch die Banken würden hohe Abschreibungen treffen, zudem geht das IHS davon aus, dass Spanien, Portugal und Italien ihre Währungen nach dem Euroaustritt stark abwerten würden, wodurch der österreichische Exportsektor unter Druck käme.
100.00 Arbeitslose mehr im ersten Jahr
Das IHS geht davon aus, dass Österreichs Bruttoinlandsprodukt bei einem völligen Zusammenbruch des Währungsraums 2016 um 10,6 Prozent niedriger wäre als im Basisszenario. Die Zahl der Arbeitslosen würde bereits im ersten Jahr nach dem Ende des Euro um 100.000 Personen ansteigen, bis 2016 wären 11,2 Prozent der Österreicher arbeitslos. Etwas moderater wären die Kosten für den Fall, dass nur die südeuropäischen Krisenländer Italien, Spanien und Griechenland den Euro verlassen. Diesfalls wäre das Bruttoinlandsprodukt 2016 um 7,5 Prozent niedriger als im Basisszenario.
Die Berechnungen des IHS decken sich weitgehend mit einer Schätzung des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, das Ende August die Kosten eines Eurozerfalls für Österreich mit rund 32 Milliarden Euro bezifferte. Allerdings sind realistische Schätzungen über die Kosten nach Ansicht der meisten Ökonomen nur schwer möglich und mit Vorsicht zu genießen. (APA/szi, DER STANDARD, 5.11.2012)