Obwohl sie nur 0,1 Prozent der globalen Meeresfläche bedecken, beherbergen Korallenriffe mehr als 25 Prozent der weltweiten biologischen Meeresvielfalt und erfüllen so wesentliche ökologische Funktionen. Ein Großteil der reichhaltigen Biotope und ihre inneren Zusammenhänge sind für die Forschung immer noch Neuland. So spielen etwa die Parasiten von Korallenfischen eine wichtige aber vielfach nur oberflächlich verstandene Rolle bei der Evolution der Arten, der Arterhaltung und der Meeresökologie im Allgemeinen. Die Chance, mehr über diese Wesen und ihre Funktion in ihren Lebensräumen herauszufinden, könnte in Einzelfällen für immer dahin sein: Stirbt nur eine Fischart aus, gehen mit ihr mindestens zehn Parasitenspezies unter.
In Neukaledonien befindet sich das zweitgrößte Korallenriff der Welt und die weltweit größte Lagune. Acht Jahre lang untersuchte ein internationales Forscherteam, unter der Leitung von Jean-Lou Justine vom Labor für Systematik, Anpassung, Evolution (Museum d'Histoire Naturelle in Paris), die Artenvielfalt von Fischparasiten in dieser Region. Gemeinsam mit dem Institut für Forschung und Entwicklung (IRD) in Nouméa konzentrierten sich die Forscher in ihren hauptsächlich morphologischen Studien auf Kopepoden (kleine Krebstiere), Hakensaugwürmer, Plattwürmer, Bandwürmer und Fadenwürmer. Ziel war es, die Anzahl der Fischparasiten-Arten und der möglichen Fisch-Parasit-Kombinationen zu schätzen.
Zehn Mal mehr Parasiten als Fische im Korallenriff
Bei 24 Korallenfischarten aus den Familien der Schnapper und der Scheinschnapper gibt es insgesamt 207 mögliche Wirt-Parasit-Kombinationen. 58 Parasitenarten wurden ebenfalls identifiziert. Bei den genau untersuchten Fischarten wurden zwischen 20 und 25 Wirt-Parasit-Kombinationen pro Fischart ermittelt und die Anzahl der Parasiten lag zwischen 9 und 13 pro Fischart. Die Forscher konnten damit nachweisen, dass zehn Mal mehr Fischparasiten als Fische im Korallenriff leben. Würde also nur eine Korallenfischart aussterben, würde dies das Verschwinden von mindestens zehn Parasitenarten bedeuten, was vermutlich schwere Auswirkungen auf das ökologische Gleichgewicht der Korallenriffe und die Evolution der Arten hätte.
Diese Arbeit der französischen Forscher ist bahnbrechend auf diesem Gebiet und kann als Referenz für ähnliche Studien in anderen Korallenriffen genutzt werden. Die Studie wurde im September 2012 in der Fachzeitschrift Aquatic Biosystems veröffentlicht. (red, derstandard.at, 11.11.2012)