Ali Ibrahim vom islamischen Friedhof Wien ist überzeugt, dass künftig mehr Muslime ihre letzte Ruhe in Österreich finden werden.

Foto: Christian Fischer
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Wien - Ali Ibrahim behält seine Verstorbenen in guter Erinnerung. Als Anhaltspunkt reicht ihm oft schon das Sterbedatum. Nach kurzem Schweigen fängt er an zu erzählen: "Das war ein junger Mann; Ägypter, eine traurige Geschichte." Danach ist wieder Stille.

Am Wiener Stadtrand in Liesing, dem 23. Wiener Gemeindebezirk, dort, wo Ibrahim als Verwalter der Ruhestätte auf neue Todesmeldungen wartet, liegen ausschließlich Muslime begraben. Der islamische Friedhof, der vor gut vier Jahren von der Stadt Wien und der islamischen Glaubensgemeinschaft feierlich eröffnet wurde, war der erste seiner Art in Österreich. Auf dem knapp dreieinhalb Hektar großen Areal ist noch genügend Raum: 150 Menschen ruhen hier, das Begräbnisfeld bietet noch Platz für weitere 4200 Gräber.

Die nebeneinanderliegenden Gräber sind Richtung Mekka gerichtet, unauffällig gehalten und mit Blumen und schlichten Grabsteinen verziert - manche tragen kleine Länderfahnen. "Die hier Begrabenen stammen aus Algerien, Türkei, Irak, Nigeria, Bosnien und vielen anderen Ländern", erklärt der gebürtige Ägypter Ibrahim.

Etwas abseits ragt ein runder Gebetsraum in die Höhe: Dort wird das Totengebet vor der Beerdigung gesprochen. Zuvor wird der Verstorbene (von gleichgeschlechtlichen Gläubigen) einer rituellen Waschung unterzogen und in weiße Leinentücher gewickelt. Schließlich wird er geschultert und bis zum Grab getragen. Dieses islamische Ritual ist eine "kollektive Pflicht" für Muslime, betont Ibrahim gerne.

Bevor der islamische Friedhof in Liesing seine Tore öffnete, fanden muslimische Beisetzungen auf dem Zentralfriedhof Wien-Simmering statt. Mitte der 1970er-Jahre wurde dort eine eigene islamische Abteilung eingeweiht. Die Zeit in Simmering hat Ibrahim in schlechter Erinnerung: "Damals wurden immer wieder Fehler gemacht: falscher Bestattungsplatz, keine rituelle Waschung."

Langsamer Prozess

So sei die Idee eines eigenen Friedhofs entstanden, die erst 2008 realisiert wurde. "Eine lange Zeit", befindet der Koordinator der islamischen Begräbnisstätte. Tatsächlich fand der Islam durch das "Islamgesetz" seine rechtliche Anerkennung in Österreich bereits im Jahr 1912.

Die erste Bestattung auf neuem Grund und Boden fand schließlich im Frühjahr 2009 statt: Seitdem steigt die Anzahl der Beerdigungen am islamischen Friedhof. Vergangenes Jahr waren es 39, dieses Jahr schon 53 Menschen, die hier bestattet wurden.

Obwohl die meisten Muslime den Beerdigungsritualen ihrer ehemaligen Heimat mehr Vertrauen schenken, wurde in den vergangenen vier Jahren durch die Eröffnung des glaubenseigenen Friedhofs ein Umdenken in Gang gesetzt, ist sich Ibrahim sicher. Es seien besonders junge Gläubige, die über eine Beerdigung in Österreich ernsthaft nachdenken. "Aber auch ältere Personen folgen diesem Beispiel", fügt er hinzu, und so sei der Friedhof nicht "umsonst" gewesen.

Die Begräbniskosten am islamischen Friedhof sind, im Vergleich zu Überstellungen ins Ausland, verhältnismäßig gering und beginnen bei 2700 Euro pro Beerdigung. Für den Fall, dass eine Familie die Kosten des Begräbnisses nicht selbst tragen kann, helfen sich die islamischen Vereine durch das Sammeln von Spenden gegenseitig und entlasten auf diese Weise die betroffenen Verwandten. Im "Verein zur Unterstützung der Hinterbliebenen", den Friedhofsleiter Ibrahim parallel zur Gründung des Friedhofs ins Leben gerufen hat, sind mittlerweile 480 Mitglieder angemeldet, die meisten sind bereit, ehrenamtliche Dienste zu verrichten.

Derartige Bemühungen sind für die islamische Gemeinschaft von besonderer Bedeutung. Dazu gehört auch, Wiens Muslime über die neue Bestattungsmöglichkeit zu informieren. Viele haben zwar davon gehört, sich jedoch im Detail nicht damit auseinandergesetzt. In diesem Fall hilft Ibrahim nach: Dann zeigt er Bilder und erklärt alle Einzelheiten noch einmal genau.

Sein stärkstes Argument folgt immer zuletzt: "Ich habe keine Zweifel, mein Grab habe ich bereits hier reservieren lassen." (Toumaj Khakpour/Siniša Puktalović, DER STANDARD, 6.11.2012)