Bild nicht mehr verfügbar.

Alles ruht: Die Gewerkschaften in Griechenland haben für zwei Tage zum Generalstreik aufgerufen. Die Eingänge zu U-Bahnen und Vorortzügen in Athen waren auch geschlossen.

Foto: Reuters

Er ist der Mann mit den schlechten Zahlen, und jetzt kommt er gerade aus dem Morgenfernsehen von Mega TV. "Das muss man den Leuten ja einmal erklären", sagt er grimmig: "Pensionskürzungen, Gehaltskürzungen, das Ende der Tarifverhandlungen". 580 Seiten lang ist der jüngste Sparkatalog der griechischen Regierung, rund 150 Sparmaßnahmen haben die Kreditgeber dieses Mal den Griechen aufgezwungen. "Verhandlungen gab es nicht, wir stehen unter internationaler Kontrolle", stellt Savas Robolis fest, der Wirtschaftsprofessor und Chef des gewerkschaftseigenen " Instituts der Arbeit".

Robolis sagte vor drei Jahren schon die 25 Prozent Arbeitslosigkeit voraus und ist dafür als verantwortungsloser Schwarzmaler kritisiert worden. 2013 geht die Talfahrt der Griechen nur weiter, da ist er sich sicher. Es werden 29 Prozent Arbeitslose, und die reale Arbeitslosigkeit mit all den Unter- und Minimalbeschäftigten werde dann bei 35 Prozent liegen, glaubt der Professor. Unerhörte Zahlen in Europa. "Man muss das einmal in eine historische Perspektive setzen. 30 Prozent Arbeitslosigkeit war die Zahl der Großen Depression in den USA 1929", sagt Robolis im Gespräch mit dem Standard. Das ganze Sparpaket, das Griechenlands Abgeordnete am heutigen Mittwoch annehmen soll, ist nur wieder sinnloses Stückwerk, versichert Robolis: "Nach sechs Monaten wird die Regierung wieder kommen und weitere Sparmaßnahmen vorlegen."

Minus in der Kasse

Denn was die Sozialkassen im Land durch die fortgesetzten Pensionskürzungen einsparen, verlieren sie an Beitragszahlungen durch arbeitslos gewordene Griechen; die müssen sie wiederum mit Arbeitslosengeld unterstützen. Robolis hat auch für das Kassenminus eine Zahl: sechs Milliarden Euro im nächsten Jahr.

Draußen auf der Patission, der Straße vor dem Polytechnikum von Athen, stimmen sich die Demonstranten ein. "Listes, listes, Kapitalistes!", rufen sie, "Räuber, Räuber, Kapitalisten". Es ist wieder Generalstreik. Die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes und Dachgewerkschaft der Privatwirtschaft GSEE, der auch das Institut von Savas Robolis angehört, haben gleich für zwei Tage zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen.

Neben den Pensionsbeziehern verlieren auch Beamte an Universitäten, der Justiz, Armee und der Polizei erneut beim Gehalt. Robolis nennt seinen eigenen Fall: Der Uni-Professor verdiente vor der Krise 3200 Euro im Monat nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge. Nach verschiedenen Sparrunden fiel er auf 2200 Euro herunter; jetzt nimmt ihm der Staat nochmals 20 Prozent. Macht unter 1800 Euro nach 40 Berufsjahren, schätzt der Ökonom.

"Die Griechen sind einmal mehr enttäuscht. Die Politiker können nichts ändern, so heißt es jetzt", sagt Gerassimos Moschonas. Der Politikwissenschaftler und Kenner der linken Parteien ist fassungslos. Die Troika der Kreditgeber habe der Regierung von Antonis Samaras nicht das geringste Zugeständnis gemacht. "Sie destabilisieren die Regierung. Ein kleines Geschenk nur hätte die Demokratische Linke in der Koalition gehalten", glaubt Moschonas. Die kleine pro-europäische Partei wird sich bei der Abstimmung über das Sparpaket am Mittwoch um Mitternacht enthalten und dazu noch einige Abgeordnete der ebenfalls mitregierenden Pasok mit sich ziehen. Die Dreier-Koalition, die antrat, um Griechenland in der Eurozone zu halten, ist auf 157 oder 153 Sitze herunter, so wird in Athen geschätzt. Nur zwei bis sechs Sitze über der Mehrheit. (Markus Bernath aus Athen, DER STANDARD, 7.11.2012)