Eine Finanzkrise bricht aus, wenn eine große Menge von Vermögenswerten plötzlich risikobehaftet erscheint und die Anleger ihre Bestände loswerden wollen. Diese dann "toxischen" Vermögenswerte sind mit einem nicht quantifizierbaren Risiko belastet. Ihre Eigentümer wollen sie einfach nur abstoßen - manchmal zu jedem Preis.

Dies war 2007 und 2008 in den USA bei Wertpapieren, die auf Eigenheimhypotheken basieren, der Fall. In der Annahme, die US-Häuserpreise könnten nicht fallen, da dies zu Friedenszeiten noch nie passiert war, waren diese als risikofrei verkauft worden.

Doch diese Annahme zerbrach. Zunächst gab es mangels Erfahrung kaum eine Grundlage, um auf rationale Weise einen neuen Preis für sie festzulegen. Zudem wären Finanzinstitute bankrott gegangen, wenn sie ihre Bestände zu Ausverkaufspreisen hätten abgeben müssen.

Die Eurokrise folgte einem ähnlichen Muster. Bis vor kurzem galten Staatsanleihen als die ultimative sichere Anlage. Tatsächlich war ihr risikofreier Status in den regulatorischen Rahmen der Europäischen Union eingebettet, was den Banken erlaubt, große Mengen an Staatsanleihen eines Euro-Landes zu erwerben, ohne Kapital zur Abdeckung potenzieller Verluste zur Seite legen zu müssen.

Auch hier war diese Ansicht, Staatsanleihen seien absolut sicher, dadurch gestützt, dass nach 1945 kein hochentwickeltes Land je in Zahlungsrückstand geraten war.

Nach dem faktischen Zahlungsverzug Griechenlands Anfang dieses Jahres war es mit dieser Sorglosigkeit vorbei. Die Staatsanleihen der Peripherieländer der Eurozone wurden toxisch, die Marktbewertungen der Schulden schwankten stark. Viele Banken hatten so viele Staatsanleihen in ihren Bilanzen, dass sie im Falle eines Zahlungsausfalls pleite gegangen wären.

Eine Finanzkrise endet entweder mit der Vergemeinschaftung der fragwürdigen Schulden oder wenn sich deren Bewertung stabilisiert und sie auf Anleger übergehen, die solvent genug sind, um das Risiko zu übernehmen. Dies war in den USA der Fall. Die Marktpreise der meisten toxischen Papiere erholten sich, da jene Verluste, die darauf beruhten, dass Eigenheimbesitzer ihre Immobilien einfach aufgaben, viel niedriger waren als befürchtet. Zudem gingen viele Bestände an Institute über, die das Risiko schultern konnten. Inzwischen funktioniert der Markt wieder normal. Dieses Muster lässt sich in der Eurozone, wo sowohl eine Schuldenvergemeinschaftung als auch eine Rückkehr zur normalen Risikobewertung schwieriger erscheinen, nur bedingt wiederholen.

Die begrenzte Fähigkeit zur Schuldenvergemeinschaftung ergibt sich aus dem Bailout-Verbot des EU-Vertrages, der die direkte Vergemeinschaftung der (nationalen) Staatsschulden auf Ebene der Eurozone untersagt. Auch ist die Kapazität des ESM bei 700 Milliarden Euro gedeckelt - nur ein Bruchteil der Staatsschulden jener Länder, die potenziell Unterstützung brauchen. Nur die Europäische Zentralbank könnte eine echte Vergemeinschaftung der nationalen Schulden bewirken. Doch das EU-Recht verbietet ausdrücklich jede Form von Defizitfinanzierung durch die EZB. Eine Rückkehr zur normalen Risikobewertung ist in Europa ebenfalls schwieriger. Der Europäische Rat hat hoch und heilig erklärt, dass Griechenlands faktischer Zahlungsausfall eine einzigartige Ausnahme bleiben würde.

Doch das Versprechen einer Rückkehr zum Status risikofreier öffentlicher Schuldtitel ist mit der Beschränkung der Vergemeinschaftung der nationalen Schulden nicht vereinbar. Tatsächlich haben sich die Risiken weiter konzentriert, da die Banken der Peripherie ihre Investitionen in Staatsanleihen ihrer Länder erhöht haben.

Diese Unterschiede haben zur Folge, dass eine Rückkehr zu normalen Marktbedingungen im Falle der Eurokrise langsamer verlaufen wird. Trotzdem dürfte sich die Krise etwas abschwächen, weil die risikoscheusten Institute ihre Bestände an Staatspapieren der Peripherieländer inzwischen abgestoßen haben. Zudem hat die EZB klar erklärt, dass sie einen Zerfall des Euro nicht zulassen werde. Diese Garantie hat die Anleger gegen ihr größtes Risiko versichert. (DER STANDARD, 7.11.2012) Copyright: Project Syndicate, 2012; aus dem Englischen von Jan Doolan.