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EZB-Chef Draghi

Foto: AP/Drahgi

Frankfurt - Vor rund einem Jahr setzte Europas oberster Währungshüter, Mario Draghi, bei seiner ersten EZB-Ratssitzung eine Zinssenkung durch. In diesem November wird Draghi wohl stillhalten. Auch wenn in vielen Ländern der Euro-Zone die Konjunktur darnieder liegt und eine Zinssenkung auf 0,5 Prozent von derzeit 0,75 Prozent nach Ansicht einiger Ökonomen durchaus angemessen wäre. Dass es jedoch in den kommenden Monaten zu einem weiteren Zinsschritt der Währungshüter nach unten kommen könnte - davon sind viele Fachleute nach einer vergangene Woche veröffentlichten Reuters-Umfrage überzeugt.

Womit sich die Euro-Notenbanker bei der Ratssitzung am Donnerstag wieder beschäftigen dürften: Die geplanten und umstrittenen massiven Anleihekäufe überschuldeter Euro-Länder durch die EZB. Ob und wann die Zentralbank mit den Staatsanleihenkäufen beginnt, hängt von Spanien ab, dem ersten Kandidaten für eine solche Rettungsaktion per Notenpresse. Bis es soweit ist, dürfte die Diskussion anhalten, ob die EZB im Zweifelsfall - also dann, wenn ein Land die mit seinen Geldgebern ausgehandelten Bedingungen nicht (mehr) erfüllt - auch wieder den Geldhahn zudreht.

Kein Dauerzustand

Die deutschen Wirtschaftsweisen warnen jedenfalls vor dauerhaften Rettungshilfen der Zentralbank. "Die Aktivitäten der EZB dürfen allenfalls eine Notlösung sein und auf keinen Fall zu einem dauerhaften Stabilisierungsmechanismus werden", zitiert das "Handelsblatt" (Mittwochausgabe) vorab aus dem Jahresgutachten des Sachverständigenrats. Der Rat lobe jedoch in seinem Gutachten die Arbeit der EZB grundsätzlich, diese habe "mit ihren unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen das europäische Finanzsystem stabilisiert und einen bedeutenden Beitrag zur Stützung der Banken" geleistet.

Was die EZB-Zinspolitik und möglichen Aktionen in den nächsten Monaten betrifft, so gehen die Vorstellungen verschiedener Beobachter weit auseinander. Der Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) empfiehlt der EZB zum Beispiel trotz der schwachen Konjunktur in der Euro-Zone und der hartnäckig über dem Stabilitätsziel von zwei Prozent liegenden Inflationsrate, den Leitzins nicht mehr weiter zu senken. Frankreichs Notenbankgouverneur Christian Noyer sieht das ähnlich: "Grundsätzlich sind wir zu dem Schluss gekommen, dass das genaue Niveau des Leitzinses im Moment weniger wichtig ist." 

Keine Überraschung

Etwas anders sehen das die Konjunkturexperten der deutschen Postbank: "Angesichts des Risikos, dass die Wirtschaft des Euro-Raums um die Jahreswende herum einen erneuten Schwächeanfall erleidet, können wir uns gut vorstellen, dass die EZB diese Entscheidung bereits im Dezember treffen wird und ihren Leitzins anschließend für längere Zeit auf dem dann erreichten Niveau halten wird." Sollte EZB-Chef Draghi das wollen, müsste er den Schritt wohl am Donnerstag verbal vorbereiten, wenn er den Finanzmärkten am 6. Dezember bei der letzten Zinsentscheidung in diesem Jahr keine Überraschung präsentieren will.

Mario Draghi kann sich indes eine europäische Bankenunion auch ohne die höchst umstrittene gemeinsame Einlagesicherung vorstellen. Für die geplante europäische Finanzunion sei zwar eine gemeinsame Bankenaufsicht nötig, wie sie unter dem Dach der EZB entstehen soll, nicht jedoch ein Pooling der Einlagesicherungssysteme, sagte der EZB-Chef am Mittwoch auf dem Wirtschaftstag der Volks- und Raiffeisenbanken in Frankfurt. "Die Einrichtung und Finanzierung solcher Einlagensicherungssysteme kann bei vergleichbarer Wirksamkeit in nationaler Verantwortung verbleiben." (Reuters/red, derStandard.at, 7.11.2012)