Das Land Steiermark entscheidet nun über das Schicksal der Freiwilligen Feuerwehr Graz.

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Der stellvertretende Kommandant Markus Lampel will noch nicht aufgeben.

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In der Wache Kroisbach versehen die Freiwilligen unter anderem Bereitschaftsdienst.

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Dabei muss zumindest eines der beiden Einsatzfahrzeuge besetzt werden.

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Die Einsatzuniformen hängen in der Fahrzeughalle, viel Platz ist neben den Autos allerdings nicht.

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Markus Lampel ist baff. Dass es wirklich so weit kommt, damit hat er nicht gerechnet. Er blickt auf die Urkunden, auf denen die Worte "Dank und Anerkennung" gefettet sind. Womöglich muss er die gerahmten Zettel im Aufenthaltsraum bald abnehmen. Die Freiwillige Feuerwehr Graz soll nach nur vierjährigem Bestehen aufgelöst werden. Lampel, der stellvertretende Kommandant, sitzt in der Wache Kroisberg und will weiterkämpfen, obwohl die Stimmung unter den Mitgliedern "nicht die beste" ist.

Von der geplanten Auflösung hat er am 18. Oktober erfahren. An diesem Donnerstagabend brachte das BZÖ im Grazer Gemeinderat den Antrag ein, der schließlich mit 27 zu 24 Stimmen angenommen wurde. Nur die ÖVP und ein FPÖ-Mandatar, der selbst bei der Feuerwehr ist, stimmten dagegen. Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) stoppte den sofortigen Vollzug und schaltete das Land Steiermark ein. Nun wird geprüft, ob die Grazer Freiwillige Feuerwehr ihren gesetzlichen Vorgaben gerecht wird und ob eine Auflösung durch den Gemeinderat überhaupt möglich ist.

Scharfe Kritik des BZÖ

Für den steirischen BZÖ-Chef Gerald Grosz hat die Feuerwehr in Graz allerdings nichts mit Freiwilligkeit zu tun. Er hat eine lange Liste an Kritikpunkten und kommt zu dem Schluss, dass "kein Cent Steuergeld mehr fließen soll". Sein größter Vorwurf betrifft die Brandsicherheitswachen, die die Freiwillige Feuerwehr vor zwei Jahren von der Berufsfeuerwehr übernommen hat. 

Der Grund für die Kompetenzänderung war, dass die Freiwilligen kostengünstiger und unbürokratischer arbeiten würden. Tatsächlich kostet eine Mannstunde den Veranstalter, der eine Brandsicherheitswache bestellen muss, nur 20 Euro. Davon zahlt laut Markus Lampel die Freiwillige Feuerwehr bis zu zehn Euro an das jeweilige Mitglied aus.

Zusatzverdienst muss selbst versteuert werden

Lampel argumentiert, dass die Feuerwehrleute auf eigene Kosten anreisen und bei Veranstaltungen oft auch ihre Verpflegung selbst bezahlen müssten. Bei Wohltätigkeits-Events würden allerdings keine Gebühren vom Veranstalter eingehoben oder an Mitglieder ausbezahlt. Laut Grosz kommen einige Feuerwehrmitglieder durch die Aufwandsentschädigung aber auf mehr als 1.000 Euro Zuverdienst im Monat. 

Für Lampel eine Zahl, die völlig aus der Luft gegriffen ist: "Manche Mitglieder verdienen vielleicht etwas mehr als 1.000 Euro im Jahr", sagt der stellvertretende Kommandant. "Die kann man aber an einer Hand abzählen." Außerdem sei die Aufwandsentschädigung mit einem Steuerberater und dem Finanzamt abgeklärt worden und müsse ab einem gewissen Grenzbetrag von den Feuerwehrleuten selbst versteuert werden.

Branddirektor verteidigt Freiwillige

Ein weiterer BZÖ-Vorwurf ist die angeblich mangelnde Ausbildung der Freiwilligen. So verfügen laut Grosz nur 21 Mitglieder über die nötige Qualifikation, an "schweren Einsätzen" teilzunehmen. Dem widerspricht nicht nur Lampel, sondern auch Branddirektor Otto Meisenberger, dem als Bereichsfeuerwehrkommandant sowohl die Berufsfeuerwehr als auch die Freiwilligen unterstehen. Die Ausbildung der Feuerwehrmitglieder sei landesweit genormt. "Ich würde niemanden in einen Einsatz schicken, der nicht die passenden Kurse absolviert hat", sagt Meisenberger. "Das wäre unverantwortlich."

Auch im Bericht des Stadtrechnungshofs Graz findet sich nirgendwo die Zahl 21. Darin steht lediglich, dass 79 der 94 aktiven Mitglieder den verpflichtenden Grundlehrgang absolviert haben und der Großteil der restlichen Freiwilligen diesen bereits begonnen hat. Außerdem fänden zweimal wöchentlich Fahrzeugschulungen und kleine Übungen statt, um den Wissensstand der KameradInnen zu festigen, so Lampel.

Keine Ermittlungen der Staatsanwaltschaft

Der Bericht des Rechnungshofs hält aber schon fest, dass die Jahresabschlüsse aus den Jahren 2009 und 2010 unvollständig seien. Geräte im Wert von etwa 8.000 Euro waren demnach bei der Begehung nicht auffindbar, zudem schlugen in diesen beiden Jahren Überziehungszinsen in der Höhe von rund 21.000 Euro zu Buche. Lampel ist sich der Fehler, die vor allem in diesen Jahren gemacht wurden, bewusst. Er verweist allerdings auf einen dreimaligen Kommandantenwechsel und die Tatsache, dass unter dem neuen Kommando heuer zum ersten Mal ein rechtzeitiger Budgetantrag eingebracht wurde.

Dass - wie Grosz behauptet - wegen des Rechnungshofsberichts bereits die Staatsanwaltschaft ermittelt, kann Hansjörg Bacher, Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz, nicht bestätigen. "Es liegt keine Anzeige gegen eine Person, die eine Funktion bei der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt bekleidet, vor", sagt Bacher.

SPÖ schlägt Katastrophenhilfsdienst vor

Für den steirischen BZÖ-Chef sind die Investitionen der Stadt Graz in ihre Freiwillige Feuerwehr mit mehr als einer Million Euro in den vergangenen vier Jahren zu hoch. Er würde das Geld lieber für eine Aufstockung der Berufsfeuerwehr verwenden. Dem Rechnungshofbericht zufolge aber ließen sich durch das Jahresbudget der Freiwilligen nur drei Vollzeitfeuerwehrleute bei der Berufsfeuerwehr finanzieren. Branddirektor Meisenberger spricht gar nur von einem Feuerwehrmitglied mehr, das ihm pro Tag zur Verfügung stehen würde. Im Gegensatz dazu ließen sich 79 freiwillige Feuerwehrleute bezahlen.

Doch nicht nur das BZÖ hat einen Plan für die Gelder der Freiwilligen Feuerwehr, auch die SPÖ will umstrukturieren. So sprach sich deren Vorsitzende Martina Schröck dafür aus, "die Potenziale bestmöglich zu bündeln und zu nutzen". Ihr Vorschlag: die Einrichtung eines Katastrophenhilfsdienstes.

FF-Kommandant wehrt sich in offenem Brief

Auf diesen Vorschlag reagierte der Kommandant der Freiwilligen, Andreas Rieger, mit einem offenen Brief. Darin hält er fest, dass die Berufsfeuerwehr und die Freiwilligen bereits am Aufbau eines solchen arbeiten würden und dieser per Definition nicht im Grazer Stadtgebiet, sondern nur für "überörtliche Einsätze" zur Verfügung sründe. Sollte die Freiwillige Feuerwehr Graz abgeschafft werden, müsste die Berufsfeuerwehr für genau diese Einsätze Überstunden leisten. Oder es müssten Betriebsfeuerwehren einspringen, deren Mitarbeiter vom Dienst zu befreien sind.

Deshalb ist es wahrscheinlicher, dass sich die SPÖ in ihrer Aussendung vertippt hat und doch einen Katastrophenschutzdienst fordert. Dieser ist der Berufsfeuerwehr unterstellt. Aber auch durch diese Umstellung würde sich laut Freiwilligen-Kommandant Rieger nicht viel ändern, da es einen solchen bereits gibt. Dieser dürfe allerdings bis dato nur für Versorgungstätigkeiten herangezogen werden. Deshalb seien etwa für einen unterstützenden Einsatz der Berufsfeuerwehr hohe Investitionen in Schutzausrüstung und Fahrzeuge notwendig.

Mitglieder restaurieren Feuerwehrfahrzeuge selbst

Außerdem sei die Freiwillige Feuerwehr bereits darauf ausgelegt, die Berufsfeuerwehr in der "zweiten Welle" und bei Katastrophen zu unterstützen. Das bedeutet, dass die Freiwilligen vor allem zur Verstärkung alarmiert werden. Der stellvertretende Kommandant Lampel erklärt, dass man deshalb in den Dienstplan der Berufsfeuerwehr eingegliedert wurde. Das heißt, dass sich jedes Mitglied zu einem Bereitschaftsdienst, der 12 oder 24 Stunden dauert, melden kann. Sobald eine Fahrzeugbesatzung im Feuerwehrhaus anwesend ist, ergeht Meldung an die Berufsfeuerwehr. 

"Dazu müssen mindestens drei Personen vor Ort sein", sagt Lampel. Das ist nämlich die Besatzung für eines der beiden Einsatzfahrzeuge, die im Dienst der Freiwilligen Feuerwehr Graz stehen. Das Kleinrüstfahrzeug mit Bergeausrüstung ist bereits 24 Jahre alt und wurde laut Lampel von Mitgliedern der Feuerwehr kostenlos umgebaut. Nur die Materialkosten wurden beglichen. Auch ein Tanklöschfahrzeug aus den 1980er-Jahren, das zuvor der Berufsfeuerwehr gehörte, haben Mitglieder wieder einsatztauglich gemacht. Deshalb versteht Lampel auch die Kritik von Stadträtin Schröck nicht, die die Freiwillige Feuerwehr als "teuer und hochgerüstet" bezeichnet.

Maßnahmen für Nichtexistenz

Bis das Land Steiermark die Prüfung der Freiwilligen Feuerwehr abgeschlossen hat, will man allerdings wie gewohnt weitermachen, sagt Lampel. Vor allem die Umsetzung der 23 Verbesserungsempfehlungen des Stadtrechnungshofs will man vorantreiben.

Die Ironie dabei laut Lampel: "Im Bericht steht, dass wir über den Umsetzungsstand der Maßnahmen dem Rechnungshof bis 15. Februar 2013 berichten sollen. Vielleicht gibt es uns bis dahin aber gar nicht mehr." Sollte der Fall eintreten, dann weiß der stellvertretende Kommandant allerdings ganz genau, was er persönlich machen wird: "Ich werde mir eine andere Feuerwehr suchen. Aufhören kommt für mich nicht in Frage." (Bianca Blei, derStandard.at, 8.11.2012)