Nintendo-Chef Satoru Iwata packt die Wii U aus

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Ende des Monats erscheint eine neue Spielkonsole von Nintendo. Nintendo, das ist der Erfinder der größten Videospielhelden wie Super Mario und Link. Nintendo-Konsolen wie der NES und der Game Boy haben in den 1980ern und 1990ern Generationen von Kindern und Jugendlichen geprägt. Und die Wii hat dafür gesorgt, dass Senioren mit ihren Enkerln Tennisspielen oder Bowlen können. In nicht einmal vier Wochen landet nun ein neues Spielsystem des Gaming-Giganten auf dem Markt, aber können Sie mir dessen Namen sagen? Aber selbst wenn Sie wissen, dass die neue Konsole Wii U heißt, können Sie mir sagen, was neu an ihr ist?

Information-Gap

Wenn Sie regelmäßig Branchennews lesen und sich für die Thematik interessieren, wissen Sie bestimmt Bescheid. Allein der GameStandard brachte seit der Erstvorstellung der Wii U über 60 Wii U-spezifische Nachrichten, Berichte, Vorschauen und Hands ons. Ganz zu schweigen von all jenen Artikeln, die die neue Konsole beiläufig erwähnen.  

Doch haben Sie sich einmal in ihrem Freundeskreis umgehört? Wie viele von ihren Bekannten wissen, dass eine neue Nintendo-Konsole vor der Tür steht? Und von jenen, die etwas von der Wii U gehört haben: Wie viele glauben, dass die Wii U ein neuer Tablet-Controller für die Wii ist?

Vielleicht beschleicht Sie jetzt das gleiche Gefühl, das ich hatte, als ein Freund mich nach der nächsten PlayStation befragte. Er spielt regelmäßig - "Call of Duty" und so. Ich erklärte ihm, dass das noch dauern wird und bislang nur Gerüchte im Umlauf sind. Deshalb fragte ich ihn, ob er schon von der Wii U gehört habe. "Ja klar", meinte er, "das ist doch dieses neue Tablet für die Wii". Bei anderen Freunden war die Ausbeute noch erbärmlicher. Viele hatten die neue Konsole noch gar nicht wahrgenommen.

PR-Problem

Kurzfristig an der Verspieltheit meines Umfeldes zweifelnd, diskutierte ich mit Branchenkollegen darüber. Wir kamen alle zu dem Schluss, dass der Wissensmangel nicht auf die Informationsfaulheit unserer Freunde zurückzuführen ist. Nintendo hat es schlicht verabsäumt, die Wii U ordentlich zu bewerben. Das fing damit an, dass Nintendo es verabsäumte, die finalen Spezifikationen wie den Preis auf der medial wichtigen Branchenmesse E3 zu nennen, die Konsole auf der größten Spielermesse Gamescom auszustellen und endete mit einer unglücklich angesetzten finalen Pressekonferenz am Tag nach der iPhone 5-Vorstellung. Wii U-Preise, Launch-Spiele und Ausstattungsversionen gingen im monströßsen iGetöse für viele schlicht unter. Und das, obwohl alle führenden Branchen- und Breitenmedien über beide Events berichteten.

Spannende Ausgangslage

Immerhin hat Nintendo es geschafft, seine Fans zu aktivieren. Die großen US-Handelsketten nehmen praktisch keine Vorbestellungen mehr an und der Konzern rechnet, bis März 2013 5,5 Millionen Geräte verkaufen zu können. Mittlerweile sind zumindest in den USA und in Großbritannien auch die ersten Werbespots angelaufen. Dennoch befürchten Marktbeobachter, dass Nintendos Anstrengungen zu spät kommen und nicht groß genug sind. In Rahmen der wöchentlichen Podiumsdiskussion Bonus Round monierten Analysten und Journalisten, dass Nintendo es nicht geschafft hätte, die Massen zu aktivieren. "Ich habe nicht das Gefühl, dass die Wii U richtig Fahrt aufgenommen hat.", sagt Gametrailers-Moderator Geoff Keighley. "Es fühlt sich nicht wie der Marktstart einer neuen Konsole an.", ergänzt Kolumnist Marcus Beer. "In der Vergangenheit ist Nintendos Taktik der Informationszurückhaltung bis knapp vor der Veröffentlichung aufgegangen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute gibt es Twitter und all diese Plattformen und es hat nicht den Anschein, als hätte Nintendo die Leute erreicht. Ich denke, Sie müssen diese PR-Strategie erneuern."

Entscheidendes Jahr

"Natürlich wird die Wii U in den ersten Monaten ausverkauft sein. Um das prognostizierte Ziel von 5,5 Millionen Geräten bis März zu verkaufen, müssen sie im Weihnachtsgeschäft in den USA in etwa eine Million Konsolen verkaufen. Natürlich schaffen Sie das.", sagt Analyst Michael Pachter von Wedbush Morgan. "Nintendo hat aber bislang nichts unternommen, um die Breitenmedien an Bord zu holen. Vielleicht ist das Absicht, weil man weiß, dass man so und so nicht mehr als geplant verkaufen kann. Und vielleicht haben sie etwas für Jänner oder Februar geplant. Aber ich habe noch nie bei einem Konsolenstart so eine Zurückhaltung erlebt.", so Pachter.

Dabei sei es laut Keighley besonders wichtig, heuer aufzutrumpfen. Das Problem sei, dass sich die nächste Konsolengeneration rund um Xbox 720 und PlayStation 4 schon am Horizont abzeichnet und vermutlich im Sommer zur E3 enthüllt wird. "Dann wird es Nintendo schwer haben, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen."

Preisdruck

Das Software-Line-up zum Start seit laut Beer gut aufgestellt. Mit Mario, "Nintendo Land" und "Call of Duty" habe man wichtige Titel im Gepäck. Das Gamepad verspricht durchaus innovative Spielkonzepte. Allerdings dürfe man die Wirkung mancher großer Namen nicht überschätzen, fügt Pachter hinzu. Die größte Shooter-Serie dieser Generation, "Call of Duty", habe sich über Jahre auf Xbox 360 und PlayStation 3 etabliert. Die Kernspielerschaft werde nicht auf die neue Plattform wechseln, wenn alle Freunde auf Xbox Live oder im PlayStation Network spielen.

Das Weihnachtsgeschäft 2013 werde zeigen, wie gut sich die Wii U etablieren wird können. Dann nämlich wird Nintendo nicht nur mit stark vergünstigten PlayStation 3s und Xbox 360s zu kämpfen haben, sondern auch mit deutlich stärkeren Konkurrenzsystemen, die zu dem Zeitpunkt zumindest schon die Medienaufmerksamkeit für sich gewinnen dürften. "Es wird wirklich hart für die Wii U", meint Pachter. Die Frage sei, welchen Trumpf Nintendo aus dem Ärmel ziehen können wird. Unterschätzt wurde "Big N" schon oft. (Zsolt Wilhlem, derStandard.at, 8.11.2012)

(Video: Nintendo-Chef Satoru Iwata packt die Wii U aus.)