Bild nicht mehr verfügbar.

Ein chinesischer Polizist vor dem Tiananmen-Tor. Am KP-Parteitag nehmen mehr als 2200 Delegierte teil.

Foto: AP/Vincent Yu

Das in Europa übliche Abhaken einer Entscheidung gibt es nicht in China. Pekinger Führer zeichnen ihre Dokumente normalerweise mit kleinen Kreisen ab. Wenn sie etwas ablehnen, schreiben sie ein X. Für die 2268 Parteitagsabgeordneten, die auf dem am Donnerstag begonnenen und eine Woche dauernden 18. Parteitag das neue Zentralkomitee wählen sollen, gelten nochmals andere Regeln. Ein Kreis neben dem Namen eines Kandidaten bedeutet ein Nein, ein Kreuz Enthaltung. Wer nichts hinzuschreibt, zeigt, dass er mit dem Kandidaten einverstanden ist.

Die Änderungen der Regeln wurden notwendig, als China elektronisch lesbare Wahlzettel und geheime Wahlen einführte. Auf dem 16. Parteitag 2002 wurden den Delegierten dann erstmals Wahllisten für die Mitglieder des Zentralkomitees zur Abstimmung mit Auswahl vorgelegt, auf denen fünf Prozent mehr Namen standen, als es Plätze gab.

Innerparteiliche Demokratie

2007, auf dem 17. Parteitag, wurde als Zeichen für mehr "innerparteiliche Demokratie" diese Auswahl auf acht Prozent mehr Kandidaten erhöht. Die damals 2220 Delegierten durften auf drei farbigen Wahllisten 204 Vollmitglieder für das Zentralkomitee, 167 ZK-Kandidaten und 127 Mitglieder für das Gremium der ZK-Kontrolleure zur Parteidisziplin wählen, indem sie alle Überzähligen mit einem Kreis herausstrichen. Sie brauchten zwei Stunden dazu. Für den 18. Parteitag soll die Kandidatenzahl noch weiter erhöht werden. Um wie viel, gilt bisher noch als Geheimnis.

Chinas Parteitagsdelegierte wurden über mehr als ein Jahr lang in 31 Provinzen und aus sieben ZK-Organisationsabteilungen und der Armee in komplizierten Verfahren ausgewählt. Sie sind in 38 Gruppen mit insgesamt 2270 Delegierten (inzwischen sind zwei gestorben) unterteilt. Sie vertreten die heute 82 Millionen Mitglieder in der größten Massenpartei der Welt. Sie wählen auf fünf Jahre Chinas neues Zentralkomitee, das in einer dreistufigen Pyramide die unterste Plattform der wirklichen Macht der KP darstellt.

Die Parteitagsdelegierten haben mit der Wahl des ZK ihre Schuldigkeit getan. Das neue ZK tritt dann am fünften Tag des Parteitages zusammen und kürt in einer Bestätigungswahl das neue Politbüro, dem bisher 25 Mitglieder angehörten. Aus ihnen setzt sich dann der bisher neunköpfige Ständige Ausschuss des Politbüros zusammen.

Positionen in diesem Ausschuss sind immer in Personalunion mit den wichtigsten Staats- und Regierungsämtern verbunden, im Fall des Parteichefs auch mit der Armeemacht. Chinas kollektiv entscheidender Zirkel, der die allerhöchste Macht bündelt, wird vom neuen Parteichef Xi Jinping geführt.

Wichtigste Entscheidungen

Jede Woche soll der Ausschuss mindestens einmal tagen und die wichtigsten innen- und außenpolitischen Beschlüsse Chinas festlegen, denen die Regierung und alle Staatsorganisationen zu folgen haben. Monatelang ist über die endgültige Zahl seiner Mitglieder (vermutlich sieben Personen) und ihre personelle Zusammensetzung hinter den Kulissen gerungen und gestritten worden. Besonders nachdem Pekings Führung vergangenen März den Aufrücker Bo Xilai über einen gigantischen Korruptions- und Verbrechensskandal stürzte.

Journalisten der Wochenzeitung Nanfang Zhoumo und des Magazins iReader haben jetzt versucht, alle nie öffentlich gemachten Verfahrensregeln und Verordnungen zusammenzutragen: einige ihrer Schlüsselbegriffe:

  • Die Dauer: Der 18. Parteitag beginnt am 8. November und endet am 14. November, wenn sich der Ständige Ausschuss des Politbüros unter dem neuernannten Generalsekretär der Partei, Xi Jinping, der Presse vorstellt. Auch die vier vorherigen Parteitage dauerten alle immer sieben Tage.
  •  Der Parteitagsbericht: Der nach zehn Jahren abtretende Parteichef Hu Jintao trägt zur Eröffnung einen fast dreistündigen Parteitagsbericht vor, der als Dokument der "kollektiven Weisheit der Partei" bezeichnet wird und den politischen Kurs für die nächsten fünf Jahre festlegt. Laut dem Parteitagssprecher Cai Mingzhao wurden Anregungen und Ansichten von 4511 Personen eingearbeitet.
  •  Die Sonderdelegierten: Neben den Parteitagsabgeordneten dürfen an jedem Parteitag sogenannte Sonderdelegierte mit Stimm- und Wahlrecht teilnehmen. Einst waren das Veteranen der Revolution, die vor dem Beginn des antijapanischen Kriegs 1937 der Partei beigetreten waren. Inzwischen sind fast alle gestorben, die Partei hat daher die Sonderdelegierten neu definiert. Unter sie fallen jetzt die Exparteiführer, die offiziell im Ruhestand sind, seit das Amt auf Lebenszeit abgeschafft wurde. Am 18. Parteitag nehmen der 86-jährige Exparteichef Jiang Zemin, Exparlamentschef Wan Li (96 Jahre), Ex-ZK-Organisationschef Song Ping (95 Jahre), die Expremiers Li Peng und Zhu Rongqi und ein weiteres halbes Dutzend, einst mächtiger Funktionäre im Ruhestand teil. Sie alle sollen bei der Kandidatenkür für die neue Führung mitgemischt haben.
  •  Die Lieder: Der 11. Parteitag 1977 wurde direkt nach dem Tod Mao Tsetungs noch mit dem Revolutionslied Der Osten ist rot eröffnet und mit der Internationalen beendet. Seit 1997, als sich Chinas Aufstieg zur Weltmacht abzeichnete, beginnen alle Parteitage mit der Nationalhymne und enden mit der Internationalen.(Johnny Erling, DER STANDARD, 8.11.2012)