Wien - Die Grünen haben bei der Nationalrats-Sondersitzung am Donnerstag ihren inoffiziellen Bericht zum Untersuchungsausschuss vorgelegt. Der Bericht hat 680 Seiten und beschäftigt sich mit allen Untersuchungsthemen, die im Ausschuss abgearbeitet wurden, aber auch mit jenen, die nicht mehr behandelt wurden, weil der Ausschuss vorzeitig abgedreht wurde. Auch aus bisher unveröffentlichten Akten werde dabei zitiert. "Das sind 680 Seiten über den erfolgreichen Kauf von Parteien, Abgeordneten und Regierungsmitgliedern", meinte der Abgeordnete Peter Pilz.

Korruption sei die "systematische politische Vernichtung von Zukunftschancen", meinte Pilz. Es sei nun an der Zeit, auch über Konsequenzen aus der Arbeit des U-Ausschusses zu sprechen, etwa ob Österreich von Personen regiert werden könne, die von der Staatsanwaltschaft als Beschuldigte geführt würden, spielte Pilz auf Bundeskanzler Werner Faymann an.

Weil die Grünen in ihrem Bericht auch vertrauliche Ausschussakten zitieren wollen, kündigte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) an, auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen achten zu wollen. Prammer behielt sich vor, von einer Veröffentlichung im Internet Abstand zu nehmen.

Kritik an Grünen

Der Entschließungsantrag erfordere eine Diskussion über den Vorgang, wie Parlamentarier mit dem Rechtsstaat umgehen, meinte der ÖVP-Abgeordnete Wolfgang Gerstl. Akten aus dem U-Ausschuss dürften nicht veröffentlicht werden. Die Grünen würden sich eines Geschäftsordnungstricks bedienen, kritisierte Gerstl. "Grundrechte dürfen auch von den Grünen nicht mit Füßen getreten werden", das habe nichts mit Aufklärung zu tun. Auch BZÖ-Mandatar Stefan Petzner meinte, er werde sich nicht daran beteiligen, vertrauliche Akten zu veröffentlichen - er halte das für "Vertrauensmissbrauch".

SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim sprach sich dafür aus, die Öffentlichkeit größtmöglich zu informieren. Die Zeit der schwarz-blau-orangen Regierung sei das Ärgste gewesen, was man sich in der Zweiten Republik vorstellen könne, es sei um "Ausplündern" gegangen. Kritik übte er abermals daran, dass die Inserate-Affäre um Bundeskanzler Werner Faymann und Staatssekretär Josef Ostermayer (beide S) mit den anderen Korruptionsfällen auf eine Stufe gestellt werde.

Einen offiziellen Mehrheitsbericht zum Korruptions-U-Ausschuss gibt es nicht, stattdessen zog Ausschussvorsitzender Walter Rosenkranz (FPÖ) am 17. Oktober eine mündliche Schlussbilanz im Plenum des Nationalrats.

Zitieren aus Ausschussakten zulässig?

Ob die Vorgehensweise der Grünen zulässig ist, wollte Prammers Büro nicht kommentieren. "Es ist selbstverständlich, dass die Präsidentin darauf achten wird, dass die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden", sagte Prammers Sprecher. Nun müsse man abwarten, was die Grünen vorlegen.

Während SPÖ und ÖVP keine eigenen Ausschussbilanzen planen, wollen BZÖ und FPÖ noch Berichte vorbereiten. Man arbeite derzeit an einem entsprechenden "Schriftwerk", sagte BZÖ-Abgeordneter Stefan Petzner. Eine Variante sei eine Veröffentlichung in Buchform.

FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky kündigte ebenfalls eine "publizistische Aufarbeitung" an. Formal könne es sich dabei aber nicht um einen Minderheitsbericht der FPÖ handeln, weil es ja auch keinen Mehrheitsbericht gebe, sagte Vilimsky. Kommen werde die Publikation aber "mit Sicherheit vor der Wahl". Dass die Grünen angekündigt haben, auch vertrauliche Unterlagen zu veröffentlichen, findet Vilimsky "nicht in Ordnung": Damit könnten auch die Persönlichkeitsrechte Dritter gefährdet werden.

87 Fragen der Grünen

Der grüne Klub richtet in der Sondersitzung 87 "dringliche Fragen" über politische Korruption in Österreich an Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP). Da die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP den U-Ausschuss laut den Grünen wegen "übermäßigen Erfolges" beendet hätten, wollen sie nun wissen, wie die Aufklärung der Korruption weiterbetrieben werden kann. Eine entscheidende Rolle habe dabei die Strafjustiz.

Aus Sicht der Grünen hat der U-Ausschuss Korruption durch Unternehmen bei öffentlichen Vergaben, Gesetzen und Verordnungen sowie bei Privatisierungen festgestellt. Außerdem würden Firmen durch verdeckte Parteienfinanzierung, Spendenwäsche, Inserate und die "Unterstützung" einzelner Politiker "Landschaftspflege" betreiben. Auch Korruption durch Politiker sei ein Problem. Dazu zählen die Grünen "sachlich nicht gerechtfertigte" Regierungsinserate auf Kosten des Ressorts, Einflussnahme auf abhängige Unternehmen und verdeckte Parteienfinanzierung. Nicht zuletzt gebe es auch Korruption durch Dritte, etwa beim Staatsbürgerschaftskauf.

Auch Eurofighter-Causa Thema

Die Grünen widmen sich in den Fragen sämtlichen sieben Beweisthemen des U-Ausschusses. Die Abgeordneten wollen für jedes Thema extra wissen, ob Strafverfahren anhängig sind, wenn ja, wie viele und wo, welche Teilaspekte dabei verfolgt werden, wer als Beschuldigter geführt wird und wie der Stand der Verfahren ist und wann mit einer Entscheidung über eine Anklage zu rechnen ist. Die gleichen Fragen stellt die Fraktion auch zum "wahrscheinlich größten Korruptionsfall der Zweiten Republik", dem Kauf der Eurofighter.

Zu guter Letzt erkundigen sich die Abgeordneten bei der Justizministerin, gegen wie viele und welche Mitglieder der Bundesregierung, des Nationalrats sowie der Landesregierungen derzeit im Zusammenhang mit Korruptionsdelikten ermittelt wird. Ferner interessiert die Grünen, ob der Ressortchefin von diesen Verfahren berichtet wird, wie viele diesbezügliche Berichte sie bereits erhalten habe und wie viele Weisungen das Ministerium dabei erteilt habe.

Justizministerin Beatrix Karl hat bei der Sondersitzung des Nationalrats am Donnerstag ihre "klare Linie" gegen Korruption betont. Diese müsse unabhängig vom Ansehen der Betroffenen "entschlossen und energisch bekämpft werden", sagte sie bei der Beantwortung der 87 Dringlichen Fragen der Grünen. "Es wird keinerlei Sonderbehandlung geben", unterstrich sie einmal mehr.

Dass es sich bei Korruption um "kein Kavaliersdelikt" handle, zeige sich in der Verschärfung des Korruptionsstrafrechts, so Karl. Für die Bekämpfung dieses Delikts gebe es zudem 30 zusätzliche Planstellen, diese Investition sei "auch in Zeiten des Sparens" notwendig und sinnvoll.

Vorhabensbericht zu Universaldienstverordnung

In der Causa der Universaldienstverordnung, für die von der Telekom über parteinahe Agenturen 2006 einmal 720.000 Euro und einmal 240.000 Euro in den Wahlkampf des BZÖ geflossen sein sollen, gebe es nun einen Vorhabensbericht, der noch fachlich geprüft werde, teilte die Ministerin mit. Betroffen seien davon u.a. der Ex-Telekom-Vorstand Rudolf Fischer, Lobbyist Peter Hochegger und der Ex-BZÖ-Abgeordnete Klaus Wittauer wegen Geldwäsche und Falschaussage vor dem U-Ausschuss.

BZÖ will U-Ausschuss zu Banken-Verstaatlichungen

Das BZÖ wiederum versucht bereits zum zweiten Mal, über einen Antrag einen U-Ausschuss zur Notverstaatlichung der Hypo Alpe Adria Bank, der Kommunalkredit Austria AG und der Österreichischen Volksbanken AG einzuberufen.

Die verschiedenen Oppositionsanträge sind erwartungsgemäß ohne Mehrheit geblieben. Der Entschließungsantrag der Grünen mit ihrem U-Ausschuss-Abschlussbericht im Anhang wurde nur von der eigenen Partei unterstützt. Ähnlich erging es einem Entschließungsantrag der Freiheitlichen, in dem ein Einfrieren der Politikerbezüge gefordert wurde - dafür gestimmt hatten nur FPÖ, BZÖ und Team Stronach. Mit Regierungsmehrheit abgelehnt wurde nach einer Kurzdebatte der BZÖ-Antrag auf einen Untersuchungsausschuss zur Notverstaatlichung von Banken.

Antragsteller Stefan Petzner (B) begründete den neuerlichen Versuch, einen U-Ausschuss zur Notverstaatlichung von Hypo Alpe Adria, Kommunalkredit und Volksbanken AG einzusetzen, nicht nur damit, dass man die "tatsächlichen Hintergründe" für das Vorgehen immer wieder erklären wolle, sondern auch weil seit seinem letzten Antrag Mitte Oktober "neue, wichtige Erkenntnisse zutage gefördert" worden seien. Finanzministerin Maria Fekter (V) warf er vor, das Hohe Haus "schlichtweg belogen" zu haben - wofür er vom Zweiten Nationalratspräsidenten Fritz Neugebauer (V) prompt einen Ordnungsruf kassierte.

Kritik erntete Petzner von den übrigen Fraktionen. Für die SPÖ fand es Finanzsprecher Kai Jan Krainer "lächerlich und peinlich", wie das BZÖ, das politisch für den Deal der Hypo Alpe Adria mit der Bayern LB verantwortlich gewesen sei, versuche, diese Verantwortung abzuschieben. Daraufhin erinnerte der freiheitliche Abgeordnete Martin Strutz den roten Klub daran, dass die SPÖ Kärnten als Koalitionspartner etwa die Aufstockung der Landeshaftungen für die Bank mitbeschlossen habe. VP-Mandatar Martin Bartenstein verteidigte seine Parteifreundin Fekter, diese habe dem Parlament wahrheitsgemäß geantwortet. Die Grünen und das Team Stronach sprachen sich für Aufklärung in Sachen Banken aus. (APA, 8.11.2012)