In welchem Ausmaß das kulturindustrielle Produkt "Rock" mit konformistischen bis autoritären Einstellungen verbunden werden kann, zeigen beispielsweise die Erfolge der 2001 gegründeten Südtiroler Rechtsrockband Frei.Wild.

Im Falle der vier Prollrocker aus Brixen/Bressanone kommen völkisch-nationalistische Momente dazu. Das Rebellische erschöpft sich bei Frei.Wild weitgehend in Treuschwüren gegenüber Deutschland und Hass auf den italienischen Staat - als "fremde" Herrschaft. Aus inneritalienischer Perspektive wirkt der subkulturell-rebellische Habitus der Band weniger aufgesetzt als von außen betrachtet: deutsch-völkischer Nationalismus hat in Italien tatsächlich etwas Oppositionelles.

Politik des "Unpolitischen"

Medien berichten immer wieder über die gewalttätige Neonazi-Vergangenheit des Sängers Philipp Burger (Kaiserjäger). Diese wird von diesem gar nicht verleugnet, sondern mit Stolz einbekannt. Während man sich in Statements oberflächlich von Nazis distanziert, werden in den Liedtexten die Ambivalenzen deutlich. Wie bei allen rechten Pseudo-Distanzierungen vom (Neo-)Nazismus zieht sich auch bei Frei.Wild daneben das Muster der Relativierung qua Gleichsetzung des "Extremismus von links und rechts" durch. Daneben antworten Frei.Wild auf die Kritik an ihrer Rechtsorientierung mit der Schutzbehauptung, "unpolitisch" zu sein, was tatsächlich der Selbstwahrnehmung entspringt. Denn die relevanten Bezugsgrößen der Rechtsrocker sind allesamt angeblich "organisch" gewachsen und daher nicht verhandelbar. Auch der Patriotismus, dessen man sich rühmt, entstamme als vermeintlich "natürlicher" emotionaler Ausdruck dem Vorpolitischen.

Jungmannrock mit Gewaltinszenierung

Schon die Wahl des Namens gehorchte den emotionalen Bedürfnissen männlicher Adoleszenter: Es handle sich dabei um "zwei Wörter, die typisch für jugendliche Einstellungen sind", so Bandführer Burger. Gleiches gilt für die Texte: Frei.Wild verbinden völkischen Nationalismus mit männlich-pubertären Sehnsüchten, Ängsten und (Gewalt-)Inszenierungen. Diese gelungene Verknüpfung macht den Erfolg von derartigen Bands maßgeblich aus.

Das Menschen- und Weltbild von Frei.Wild ist ein biologistisches. Einmal vergleicht man sich mit einem "Baum", der "ohne Wurzeln (...) nicht bestehen (kann)", das andere Mal wird der ewige "Kreislauf der Natur" besungen. Wenn aber alles immer gleich bleibt, grundlegende Veränderung unmöglich ist, kann sozial produzierte Wut nicht zur Kritik an den Verhältnissen sublimiert werden, sondern sich nur in unmittelbare Gewalt umsetzen. So zeichnet sich auch Frei.Wild durch eine affirmative (Re-)Inszenierung von Gewalt aus: "Rache muss sein, die muss sein.//Jetzt liegst Du am Boden,/liegst in deinem Blut./Das Blut auf meinen Fäusten,/ich find' das steht mir gut."

Nach dem Vorbild der Urgroßväter erlauben sich die (Körper-)Panzer auf zwei Beinen dabei "keine Emotion" und keine Zweifel am eigenen Sieg. Die narzisstische Größenphantasie steigert sich schließlich zu Allmachtsgefühlen: "Ich bin der Herr der Welt".

Es ist vor allem der gekränkte Narzissmus junger Männer, den sich Frei.Wild zu Nutze macht. Gegen die Erfahrung von Überzähligkeit, Schwäche und Beschämung setzt man die Phantasie, endlich mal auf der siegreichen Seite zu stehen: "Sieger stehen da auf wo Verlierer liegen bleiben (...) wird man sich vor dir verneigen,/wirst du zwar manchmal leiden,/aber auch stets du selber bleiben."

Da die äußere Realität nicht immer allen erlaubt, sich als Sieger zu fühlen, flieht man in grandiose Wunschphantasien: "Hast du nie geträumt von 1000 Frauen, die dich alle lieben/Tief drin in dir, tief drin in dir, gibt's eine Welt, gibt's eine Welt, die gehört nur dir allein."

Autoritäre Rebellion

Bands wie Frei.Wild (sie treten an diesem Freitagabend übrigens im Wiener Gasometer auf) und ihre Erfolge sind gleichermaßen Ausdruck wie Motor der rechten Fanatisierung Jugendlicher.

Als deren Unterstrom ist eine neoliberale und konservative Hegemonie namhaft zu machen: Die konformistische Generation Leistung (siehe auch Shell-Jugendstudie 2006) hat die "Werte der Heimat" verinnerlicht, ihre (Über-)Affirmation zieht sich durch die Texte der Südtiroler Schmalzrocker. Man bezeichnet sich als "Christen", beklagt, dass "Kreuze (...) aus Schulen entfernt (werden)", träumt von "früheren Zeiten" und behauptet, viel von "den alten Leuten" lernen zu können. Die Rebellion bleibt auf antiitalienische Statements beschränkt.

Aber Frei.Wild kultiviert nicht nur pangermanistischen Nationalismus, Heimatkitsch und Rückwärtsgewandtheit, sondern auch das Gefühl der kleinen Leute, dauernd Opfer von "penetrante(n) Meinungsmacher(n)" zu sein. Als ohnmächtige "Durchschnittsleute" lästern sie gegen die da Oben, die "reichen Säcke" oder "Schweine", ein Ausweg aus der Malaise zeigt sich nicht.

Diese spezifische Verbindung von Autoritarismus und Unterordnung mit Rebellion und Scheinaufstand ist seit jeher das Erfolgsrezept extrem Rechter. (Heribert Schiedel, derStandard.at, 9.11.2012)