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Ein langer Schatten bleibt über Deutschlands Doping-Vergangenheit.

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Tatort Wembley 1966: Drei deutsche Kicker hatten Schnupfen.

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Berlin/Wien - "Doping in Deutschland von 1950 bis heute": Vielversprechender kann der Titel einer Studie gar nicht lauten. Und es hätte das vielleicht ambitionierteste Projekt der jüngeren deutschen Sportgeschichte werden sollen. Grelles Licht für die dunklen Doping-Ecken der Bundesrepublik. Allein, die Chance, mit der deutschen Dopingvergangenheit aufzuräumen, sie wurde vergeben. Und der Deutsche Fußball-Bund darf durchatmen.

Eine 550.000 Euro schwere Studie, die vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) initiiert und und vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) bereits 2009 an Forscher aus Münster und Berlin vergeben worden war, sorgte bereits im Vorjahr für Wirbel, als von "systemischen Doping" in Westdeutschland vor der Wende die Rede war und hohen Sportfunktionären "billigende Mitwisserschaft" vorgeworfen wurde. 

DFB im Kreuzfeuer

Der deutsche Fußball bekam auch sein Fett ab, drei Nationalteamspielern soll bei der WM 1966 die Einnahme von Ephedrin nachgewiesen worden sein. Der DFB argumentierte mit einem Gutachten dagegen, es sei den Spielern kein Vorsatz nachzuweisen und darum auch kein Regelverstoß. Für den Sporthistoriker Erik Eggers handelt es sich aber sehr wohl um positive Dopingproben. Zwar gebe es in der Tat erst seit 2004 die Regel, dass Sportler auch dann gesperrt werden können, wenn sie behaupten, von nichts gewusst zu haben. Aber selbst der Fußball liefere ein Gegenbeispiel: So wurde Diego Maradona während der WM 1994 wegen Ephedrin-Dopings gesperrt, obwohl er beteuerte, lediglich seinen Schnupfen bekämpft zu haben.

Auch ließ der DFB die Forscher nicht in sein Archiv, weil diese sich weigerten, ihre Erkenntnisse vorher vom Verband autorisieren zu lassen, und von einem Eingriff in die Freiheit der Wissenschaft sprachen. Weitergeforscht wurde jedenfalls nicht.

Zensur-Vorwürfe

Und es blieb noch viel mehr im Dunkeln. Warum die Studie kein Ende fand, daran scheiden sich die Geister. Dem Projekt fehlen die Prüfberichte über die 1990er und die Nullerjahre, weil die Berliner Forschergruppe ihre Arbeit im März wegen fehlender Absprachen über die Weiterfinanzierung eingestellt hatte. Das BISp soll Gelder zurückgehalten haben, der Anti-Doping-Kämpfer Werner Franke warf dem Institut Zensur vor.

Am Ende stand eine Groteske, nach deren Drehbuch die beiden Forschungsteams diese Woche separat Pressekonferenzen abhielten und über ihr Scheitern referierten. Die Ergebnisse der Münsteraner Forschergruppe waren nicht mehr als Medienanalysen. Pikantere Details wurden von Berliner Seite trotz jähen Forschungsabbruchs für die Phase vor der Wiedervereinigung und für Teile danach in einem 804 Seiten starken Abschlussbericht aufgeführt. Dieser liegt aber noch beim BISp, das vor allem wegen des Schutzes von Persönlichkeitsrechten vor einer Veröffentlichung zurückscheut. Grund dafür sollen komplizierte datenrechtliche Bestimmungen sein. Die Forscher wollen ihre Ergebnisse öffentlich machen, haben aber Angst, dass sie wegen einer ungenehmigten Publikation Verträge brechen und Fördergelder zurückzahlen müssten.

Keine Aufklärung

Die Studie ist jedenfalls zu Ende, der Streit geht aber in die nächste Runde. Und die deutsche Doping-Geschichte bleibt unvollständig, gerade im Bereich Fußball. 25 Jahre nachdem der deutsche Ex-Nationalteamtormann Toni Schumacher in seinem Buch "Anpfiff" über die ärztliche Betreuung während der WM 1986 in Mexiko schrieb: "Jeden Mittag schluckten wir zu unserem Elektrolytgesöff haufenweise Tabletten: Eisen, Magnesium, Vitamin B in Höchstdosis, Vitamin E, ein paar Hormönchen für die Höhenanpassung ... Außer den Pillen hagelte es Spritzen." (vet/sid, derStandard.at, 9.11.2012)