In Japan wird der Führungswechsel mit besonderer Spannung erwartet. Jedes Wort aus Peking wird auf Zeichen abgeklopft, ob Chinas neue Führung in dem Konflikt um unbewohnte Felseninseln auf Ausgleich oder Konfrontation setzen wird. Denn die Beziehungen zwischen den Nachbarn sind so schlecht wie noch nie.

Japan hat drei der von ihm kontrollierten Senkaku-Inseln (auf Chinesisch Diaoyutai) nationalisiert. Daraufhin kam es in China in über 100 Städten zu anti-japanischen Demonstrationen. Fenster von japanischen Restaurants wurden eingeschlagen, einige japanische Kaufhäuser geplündert, japanische Autos demoliert.

Doch schlimmer noch, erstmals werden auch im großen Stil japanische Produkte boykottiert. Der Absatz der japanischen Autohersteller ist in den vergangenen Monaten um 40 Prozent eingebrochen. Und mit Sorge beobachten die Unternehmen, wie lange die anti-japanische Stimmung noch die Verkäufe bremst. "Solange sich die politische Situation nicht verbessert, können wir das nicht erwarten", meint Yoshiyuki Shiga, Vize-Chef von Nissan.

Japans Regierung wartet daher händeringend auf den Regierungswechsel in China. "Ich hoffe, dass wir die Gelegenheit haben werden, bald mit den neuen chinesischen Führern zu sprechen", sagte Japans Strategieminister Seiji Maehara am Mittwoch. Es gehe darum, Wege zu finden, wie beide Länder friedlich koexistieren könnten. Aber niemand ist sich derzeit mehr sicher, ob dies langfristig gelingt.

Uneinigkeiten

Auch in Südkorea beargwöhnen die Menschen den gigantischen Nachbarn. " Trotz wachsender wirtschaftlicher Verflechtung bestehen zwischen Südkorea und China weiterhin Uneinigkeit über Fragen der Geschichte, Gebiete, Fischereirechte, nordkoreanische Abtrünnige und regionale Sicherheit", fasst die Tageszeitung Korea Herald die Probleme zusammen.

Das Unbehagen in Korea ist groß. Denn das Land sieht sich seit alters her in der unangenehmen Rolle einer Krabbe, um die sich zwei Wale, China und Japan, streiten. Ein militärisch oder wirtschaftlich aggressives China hätte daher großen Einfluss auf die Stimmung in Korea.

Doch anders als in Japan ist Südkorea etwas gelassener, da Experten keine radikalen Kurswechsel von Chinas neuer Regierung erwarten. "Die Beziehungen werden wahrscheinlich nur langsam Fortschritte machen", meint Yoon Pyung-joong, Politikprofessor der Hanshin-Universität. Allerdings gibt es ein großes Fragezeichen: Nordkorea. Eine politische oder militärische Krise mit Chinas Verbündetem könnte Peking zwingen, sich für oder gegen das dortige Regime zu entscheiden - mit Auswirkungen auf die ganze Region. (Martin Kölling, DER STANDARD, 9.11.2012)