Bild nicht mehr verfügbar.

Sie müssen noch immer Haare lassen: Unter Schwarzen gibt es dreimal so viel Armut wie unter Weißen.

Foto: Matt Rourke/AP/dapd

Washington - Das Bild berührt: Ein kleiner schwarzer Bub mit Hemd und Krawatte beim ersten afroamerikanischen Präsidenten der USA. Der großgewachsene Barack Obama neigt sich herab, damit der zögerliche Kleine seinen Kopf betasten kann. Das Bild gehöre zu den wenigen Fotos im Weißen Haus, das die Fotografen seit Obamas Amtsantritt nicht ausgewechselt hätten, verriet First Lady Michelle Obama unlängst.

Es symbolisiert, was sich am Dienstag bei der Wiederwahl des Präsidenten gezeigt hat: Obama bleibt der Hoffnungsträger für schwarze Amerikaner. Trotz vieler Enttäuschungen haben 93 Prozent für ihn gestimmt. Nun ist Obama in der Bringschuld.

Obamas Haare fühlen

Kurz nach Obamas Vereidigung 2009 durfte der fünfjährige Jacob Philadelphia mit seinem Vater, einem Kriegsveteranen, zum Besuch ins Oval Office, dem Büro des Präsidenten. Obama gestattete ihm eine Frage. Kaum hörbar sprach es Jacob aus: "Ich möchte wissen, ob sich deine Haare so anfühlen wie meine?" Obama beugte sein Haupt und forderte den Kleinen auf: "Warum berührst du es nicht einfach und findest es selbst heraus?" Der Bub war beruhigt: "Ja, es fühlt sich genauso an."

Millionen schwarze US-Bürger erkennen sich in ihrem Präsidenten wieder. "Der Bürgerkrieg zwischen Weißen und Schwarzen ist endgültig vorbei", jubelten die Menschen, als Obama zum ersten Mal vereidigt wurde. Sie hofften auf ein Ende von Ungleichbehandlung und Rassismus.

Doch die Realität sieht immer noch anders aus, wie sich unmittelbar nach Obamas Wiederwahl zeigte. Das schildert der Aktivist Mark Potoc vom renommierten Southern Poverty Law Center in seinem Blog. Kurz nach dem Wahlergebnis seien in der Stadt Oxford im Bundesstaat Mississippi hunderte Weiße auf die Straße gegangen, um rassistische Parolen zu rufen und Steine zu werfen.

Nur ein Vorfall von hunderten, die sich seit Obamas erstem Amtstag immer mehr häuften, so Potok. "Schlüssel ist unter anderem die demografische Entwicklung in unserm Land, das voraussichtlich im Jahr 2050 seine weiße Mehrheit verliert." Das mache vielen Weißen Angst. "Auch mit einem Afroamerikaner im höchsten Amt des Landes sind zweimal so viele Schwarze wie Weiße arbeitslos", klagte die Bürgerrechtsorganisation National Urban League.

Ein halbes Jahrhundert nach Beginn der Bürgerrechtsbewegung leben noch immer dreimal so viel Afroamerikaner in Armut wie Weiße. Selbst wenn die Schwarzen einen Job haben, verdienen sie im Schnitt weniger. Die Afroamerikaner besetzen nur drei Prozent der Spitzenpositionen in Wirtschaft und Politik. Sie stellen 13 Prozent der US-Bevölkerung - und fast die Hälfte aller Gefängnisinsassen. Bis heute hat Obamas Strategie wenig gefruchtet, armen Amerikanern die gleichen Bildungschancen zu geben wie der Mittelschicht.

Obama versprach ihnen 2008 den Wandel. Doch anders als vor vier Jahren glaubten nicht mehr so viele schwarze Amerikaner an dieses Versprechen, meint Immanuel, ein Hotelportier in Washington. "Ich denke nicht, dass er das Leben der Afroamerikaner in irgendeiner Weise verbessert hat - nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte." Trotzdem hat Immanuel ihm seine Stimme gegeben.

"Natürlich hat er meine Stimme", sagt der Künstler Jackson Collins, der aus Mississippi nach Washington gezogen ist. Obama habe vieles erreicht. "Es geht doch nicht um schwarze Themen. Es geht darum, dass es dem Land wieder besser geht, da gehören Schwarze dazu wie Weiße." (dpa, DER STANDARD, 9.11.2012)