In der Volkspartei haben sich spätestens seit der vorwöchigen Regierungsklausur zwei Flügel gebildet. Sie schlagen nicht aufeinander ein, aber sie sind klar zu erkennen, wenn der Obmann den Kurs der Partei zu bestimmen sucht.

Der eine Flügel, der kräftigere, trägt die grellen Farben der Finanzministerin Maria Fekter. Seit Wochen ruft sie "Rabatt, Rabatt", um mit der Forderung nach einer Senkung des österreichischen EU-Beitrags eine Wählerabwanderung zu Frank Stronach zu verhindern. Mit ihrer seinerzeitigen Ausländerpolitik, von der Nachfolgerin und deren Staatssekretär deutlich abgemildert, hofft sie bei den FPÖ-Wählern in Erinnerung zu bleiben. Sie geriert sich - nicht nur dem Aussehen nach - wie eine österreichische Margaret Thatcher. Konservativ bis in die Knochen.

Der andere Flügel, blasser und nie heftig schlagend, ist jener, der von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner repräsentiert wird. Ebenso Oberösterreicher, ebenso Wirtschaftsbündler wie Fekter, verkörpert er doch einen völlig anderen Politikertyp. Er redet ruhig, manchmal hart an der Grenze zur Monotonie. Er sucht den Kompromiss, in der Regierung mit SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Aber er positioniert sich deutlich als vorsichtiger Reformer - nach der jüngsten Klausur als Befürworter eines Ausbaus der Ganztagsschule.

Vizekanzler Michael Spindelegger hat am Wochenende Fekters "Rabatt" -Slogan in seine EU-kritische Sprache aufgenommen und damit signalisiert, wo er die Chancen der ÖVP sieht. Nicht bei Bildungsreformen, nicht beim Nachgeben in Asylfragen, sondern bei eher populistischen Themen. Bei der Forderung nach Steuererleichterungen konnte er freilich Fekter nicht folgen.

Machtkampf

Umgekehrt hatte die Partei zuvor ihrem Obmann Grenzen gezeigt, als er die Rivalin überhaupt aus der Regierung (Richtung Parlament) entfernen wollte. Diesen Machtkampf gewann Fekter.

Endgültig entschieden ist er nicht. Die halbherzigen Solidaritätsbezeugungen für Spindelegger signalisieren bloß, dass es einen Obmannwechsel bis zur Wahl im Jahr 2013 nicht geben wird.

Aber wer auf den Wahlplakaten abgebildet wird, ist weniger klar. Der Klubstatus für die Partei Frank Stronachs stärkt diesen als Faktor der Innenpolitik und als politischen Heilsbringer.

In dieser Konstellation könnte Spindelegger an den Rand gedrängt und der Ruf lauter werden, in der ÖVP die Ämter des Obmanns und des Spitzenkandidaten zu trennen. In diesem Fall hätte Fekter eindeutig die besseren Karten. Auch Mitterlehner wäre ein Verlierer dieser Polarisierung. Damit wäre gleichzeitig der Reformflügel auf längere Sicht geschwächt.

Die ÖVP würde endgültig einen Weg einschlagen, den sie unter dem bekennenden Katholiken Wolfgang Schüssel begonnen hat - eine konservative Partei zu sein, die sich zu einem Imitator der Republikaner (USA) entwickelt.

Spindelegger hat angekündigt, mit Fekter "Seite an Seite" in die Wahl zu gehen. Wer dabei den Ton angibt, ist nicht schwer zu erraten. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, 12.11.2012)