Bern - Der Schweizer Nachrichtendienst fordert mehr Kompetenzen im Kampf gegen jihadistischen Terror. Als besondere Gefahr erachten die Staatsschützer Einzeltäter, die für die Sicherheitsbehörden nur schwer frühzeitig identifizierbar sind. Ein prioritäres Anschlagsziel sei die Eidgenossenschaft aber nicht, wie die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) jüngst berichtete.

Im März dieses Jahres stellte das Bundesamt für Polizei (Fedpol) in Zusammenarbeit mit der Schweizer Bundesanwaltschaft und dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) die kriminalstrategische Priorisierung 2012-2015 vor. Diese wurde zuhanden der Regierung (Bundesrat) verfasst. Die Bekämpfung von Terrororganisationen, insbesondere des Jihadismus, wird dabei als Priorität eingestuft, zusammen mit der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, der internationalen Korruption und der Geldwäscherei.

Das Fedpol geht nach Angaben der NZZ von einer niedrigen zweistelligen Zahl an Jihadisten in der Schweiz aus. Es gebe aber keine konkreten Hinweise auf die Planung oder Vorbereitung eines jihadistischen Anschlags in der Eidgenossenschaft oder auf ein schweizerisches Ziel im Ausland, ließen das Fedpol und der Nachrichtendienst verlauten. Schweizer Bürger sind nach ihrer Einschätzung vornehmlich im Ausland von Terroranschlägen bedroht.

Gefahr des Missbrauchs verhindern

Gemäß den Staatsschützern gilt es jedoch besonders zu verhindern, dass die Schweiz von den Jihadisten für die Rekrutierung oder die Vorbereitung von Terrorakten missbraucht wird. Eine wesentliche und zunehmende Bedeutung sehen sei dabei im Internet. In der Szene beliebte Seiten können indes schnell verschwinden, vor allem dann, wenn die Betreiber befürchten, überwacht zu werden. Dem Blatt zufolge folgen die Jihad-Sympathisanten zudem neusten Trends: Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Youtube.

Islamwissenschaftler Guido Steinberg vertritt dieselbe Meinung. Ihm zufolge könnten im Internet Unterstützer und Sympathisanten für den "individuellen Jihad" gewonnen werden. Sie werden über das Internet vor Ort radikalisiert, ohne dass sie jemals für eine Kampfausbildung in jihadistische Gebiete wie Pakistan oder Somalia gereist wären.

Einzeltäter wie Muhammed Merah, der im März in Frankreich mehrere Mordanschläge auf französische Soldaten und eine jüdische Schule verübte, sind für die Sicherheitsbehörden nur schwer frühzeitig identifizierbar.

Solche Taten liegen laut Fedpol und NDB auch in der Schweiz "im Bereich des Möglichen". Jeder getötete Zivilist sei jedoch einer zuviel. NDB-Kommunikationschef Felix Endrich gab zu Bedenken, es sei nicht auszudenken, welche Vorwürfe auf sie niederprasseln würde, sollte das Undenkbare doch geschehen.

Angeklagt, ermittelt, geurteilt

Schweizer Behörden haben im Falle von Internetpropaganda schon verschiedentlich angeklagt, ermittelt und geurteilt. Der bekannteste Fall dürfte jener des Tunesiers Moes Garsallaui sein.

In den 1990er-Jahren kam dieser als Flüchtling in die Schweiz und betrieb zusammen mit seiner Frau, die er im Internet kennengelernt hatte, ein islamistisches Internetforum von einem Ort im Kanton Freiburg aus. 2007 verurteilte ihn das Bundesstrafgericht, doch noch vor Strafantritt verliess der Tunesier die Schweiz.

Im Oktober dieses Jahres meldete ein auf die Überwachung von islamistischen Webseiten spezialisiertes Unternehmen den Tod von Gersallaui. Er sei bei einem Drohnenangriff in Pakistan ums Leben gekommen.

Laut Experten stehen den Schweizer Staatsschützern nur ungenügende präventive Mittel zur Verfügung. Eine ernsthafte Terrorismusbekämpfung ohne zusätzliche Mittel der präventiven Überwachung, wie sie im neuen Nachrichtendienstgesetz vorgesehen seien, sei nicht möglich. (APA, 12.11.2012)