Die Telekom-Ostgeschäfte beschäftigen Prüfer und Justiz. Martin Schlaff machte als Verkäufer eines Velcom-Aktienpakets Kasse, zudem fungierte seine Holdenhurst als Berater. Der TA-Vorstand akzeptierte den Anstieg des Kaufpreises.

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Wien - Strafrechtlich ist die Übernahme der weißrussischen MDC (besser bekannt unter Velcom) durch die Telekom Austria im Jahr 2007 noch nicht geklärt, wirtschaftlich wurde die Akquisition auf jeden Fall zum Debakel. Hyperinflation und Abwertungen in mehreren Schritten haben die Eigenkapitaldecke des Konzerns ausgedünnt. Nun stellt sich heraus, dass der hohe Kaufpreis schon zur Zeit des Unternehmenserwerbs umstritten war.

Aus dem Prüfbericht der Beratungsgruppe BDO geht hervor, dass die ersten Kalkulationen der Telekom einen Kaufpreis von 940 Millionen Dollar ergaben. Am Ende wurde deutlich mehr als das Doppelte an Haupteigentümer Ead Samawi und Ko-Aktionär Martin Schlaff bezahlt. Der für die Bewertung zuständige Mitarbeiter hatte dabei Zugang zum Datenraum. Seine Berechnung, bei der er von einem dritten Mitbewerber und somit härterem Wettbewerb ausging, gefiel den Telekom-Chefs gar nicht: Aus E-Mails gehe hervor, schreibt BDO, "dass der Vorstand mit den getroffenen Annahmen der ersten Bewertung nicht einverstanden gewesen ist".

Der Mitarbeiter erstellte daher neue Szenarien, bei denen die Annahme des Eintritts eines neuen Anbieters in den Markt verworfen und auch andere Parameter so geändert wurden, dass sich der Kaufpreis deutlich erhöhte. Diese Berechnungen führten zu einer Bewertung der Velcom zwischen 1,465 und 1,92 Mrd. Dollar. Der verantwortliche Manager gab an, dass "er von seinen Vorgesetzten davon überzeugt worden wäre, dass die Annahmen der ersten Bewertungen zu konservativ gewesen sind und auch optimistischer ausfallen könnten".

Ein anderer, mittlerweile ausgeschiedener Manager erklärte den Anstieg des Kaufpreises mit der Rolle Schlaffs. Dieser habe dem Alteigentümer der Velcom geraten, die Gesellschaft nicht auszuschreiben, sondern direkt an die Mobilkom zu verkaufen. Dem Vorstand wurde nach Beratungen mit der Investmentbank JP Morgan dann eine neuerliche Bewertung vorgelegt, in der 1,776 Mrd. Dollar herauskamen. In der Aufsichtsratssitzung vom 27. September 2007 wurde der gesamte Kaufpreis von Finanzvorstand Hans Tschuden mit 2,038 Mrd. Dollar kommuniziert. Er gab an, dass die Bewertung "parallel zu den Gesprächen mit den Verkäufern erstellt" worden sei. Weiter sagte Tschuden laut BDO-Bericht: "Dass der Kaufpreis am Ende deutlich höher gelegen habe als zum Zeitpunkt des ersten Angebotes, wäre auf Veränderungen im Marktumfeld und die Preisvorstellung des Verkäufers zurückzuführen."

Die massive Steigerung erscheint vor dem Hintergrund interessant, dass Schlaff auch über seine Gesellschaft Holdenhurst Beratungsleistungen verrechnete und zudem Honorare über die Firma Robicom gelegt wurden, die von den Ermittlern ebenfalls Schlaff zugeordnet wird. "Grund für diese Zahlungen dürften vermutlich Kickback-Zahlungen oder Bestechungszahlungen" sein, heißt es dazu im Anlassbericht des Bundesamts zur Korruptionsbekämpfung (BAK) an die Staatsanwaltschaft.

"Dolose Zahlungen"

Die zypriotische Holdenhurst, die 1,8 Mio. Euro von der Telekom für Beratung kassierte, gehört zu 85 Prozent der MS Privatstiftung, 15 Prozent hält Ex-VP-Chef Josef Taus. Robicom erhielt weitere 1,2 Mio. Euro, angeblich für Consulting rund um den Einstieg ins weißrussische Festnetz-Geschäft. BDO qualifiziert die genannten Überweisungen der Telekom als "dolose Zahlungen". Demnach stehe Robicom in einem "Naheverhältnis" zu Schlaff, was dessen Sprecher Michael Fink zurückweist. Zur Bewertung und zu den Beratungsleistungen will er wegen des laufenden Verfahrens nicht Stellung nehmen. Für alle genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung.

Trotz der Querelen stellen die Prüfer den Kaufpreis an sich nicht infrage. Dieser sei "nachvollziehbar", heißt es. Der Telekom hat die Akquisition viel Leid beschert. Der Firmenwert für die ursprüngliche Beteiligung von 70 Prozent wurde bis 2010 auf 75 Mio. Euro abgeschrieben, dennoch wurde der restliche Anteile vertragskonform kurz darauf um 450 Millionen erworben. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 13.11.2012)