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Jill Kelley trug durch Kontakt zum FBI dazu bei, die Affäre aufzudecken.

Foto: AP/O'Meara

Der überraschende Rücktritt von CIA-Chef David Petraeus zieht Kreise. Noch diese Woche will der Kongress Untersuchungen einleiten, um der Rolle der US-Bundespolizei FBI in der Angelegenheit auf den Grund zu gehen. Ermittler hatten durch das Mitlesen von E-Mails eine Liebesaffäre des Ex-Generals mit seiner um 20 Jahre jüngeren Biografin Paula Broadwell aufgedeckt.

Angeführt wird die Riege der Kritiker von Dianne Feinstein, der führende Demokratin im Geheimdienstausschuss des Senats. "Das ist etwas, was unsere nationale Sicherheit hätte gefährden können. Ich denke, man hätte uns informieren müssen", protestierte die Kalifornierin in einem Interview.

Andere zweifeln an der offiziellen Version, wonach der Stein ins Rollen kam, als sich eine Freundin der Familie Petraeus von garstigen E-Mail-Botschaften Broadwells dermaßen belästigt fühlte, dass sie sich hilfesuchend an einen Bekannten wandte, einen Mitarbeiter des FBI. "Es fällt mir schwer, die Story zu akzeptieren. Vieles passt einfach nicht zusammen", meint der Republikaner Peter King, der Vorsitzende des Heimatschutzausschusses im Abgeordnetenhaus.

Jill Kelley ist Mrs. X

Zumindest weiß man jetzt, wer sich hinter jener Mrs. X verbirgt, die die Ermittlungen ausgelöst haben soll: Jill Kelley aus Tampa, Florida, lernte Petraeus kennen, als er das Centcom leitete, das für Nahost und Zentralasien zuständige Zentralkommando der US-Streitkräfte. Dort, in Tampa, kümmerte sich die freiwillige Helferin um verletzte und traumatisierte Soldaten. Eine Aufgabe, der sich auch Holly Petraeus, seit 37 Jahren die Frau des hochdekorierten Generals, mit Hingabe widmete.

Die "Tampa Bay Times" kramte ein altes Foto aus ihren Archiven, auf denen die Ehepaare Petraeus und Kelley in die Kamera lächeln: routiniert freundlich, wie es bei karitativen Veranstaltungen eben üblich ist. Nichts, was irgendwelche kompromittierenden Rückschlüsse zuließe.

FBI vermutete Hacker in Petraeus' E-Mail-Konto

Wenn indes stimmt, was das FBI verbreitet, dann sah Paula Broadwell in der damals 35-jährigen Jill eine Nebenbuhlerin. In wütenden E-Mails soll sie sich über die kokette Art der Partydame anonym erregt haben - mit Worten, die die Adressatin als Bedrohung empfand. Nachdem sich Kelley bei einem FBI-Agenten über die belästigende Post beklagt hatte, ging es darum, ob die E-Mails als Cyber-Stalking strafbar waren.

Irgendwann führte die Spur zu Broadwell, deren elektronische Post die Detektive mitzulesen begannen. In einigen ging es um Sex, der Absender war David Petraeus, wenn auch getarnt durch ein Pseudonym - ein Namensrätsel, das die Kriminalisten bald lösten. Zunächst glaubten sie, Hacker hätten sich des privaten Google-Mail-Kontos des CIA-Direktors bemächtigt und an seiner Stelle kompromittierende Botschaften verschickt. Später wurde klar, dass Petraeus und Broadwell ein Verhältnis hatten.

Spekulation um Rücktritt

So weit, so mysteriös. Weil sich viele Amerikaner nicht vorstellen können, dass ein Geheimdienstchef wegen rein privater Verfehlungen zurücktritt, schießen Spekulationen über die wahren Gründe ins Kraut: Petraeus, wird beispielsweise gemunkelt, habe seinen Hut nehmen müssen, weil sein Geheimdienst unterschätzte, welche Gefahren US-Diplomaten in Bengasi drohten - und dann verschleierte, was tatsächlich geschah. In der libyschen Stadt waren US-Botschafter Chris Stevens und drei seiner Mitarbeiter ums Leben gekommen, als radikalislamistische Angreifer am 11. September das Konsulat der Vereinigten Staaten stürmten. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 13.11.2012)