Dopinglabor-Chef Günter Gmeiner sagt, körpereigene Stoffe seien am schwierigsten nachzuweisen.

Foto: STANDARD/Corn

Das Wort Anabolika klingt in den Ohren jedes durchschnittlich sportinteressierten Menschen böse. Die Substanz fördert bekanntlich das Wachstum der Muskulatur und bringt so einen unfair erworbenen Wettbewerbsvorteil für Sportler. Sie dürfte aber auch zu fantasiereichen Ausreden beflügeln, wenn man einmal mit diesem Dopingmittel im Harn erwischt wurde. Eine Leichtathletin zum Beispiel konnte sich das nachgewiesene Anabolika in ihrer Probe nur durch den häufigen Sex mit ihrem Freund, einem Bodybuilder, erklären.

Günter Gmeiner kann Journalisten viele Anekdoten erzählen. Der Leiter des Dopinglabors der Seibersdorf Laboratories (siehe Wissen) analysiert mit seinem Team jährlich mehrere tausend Proben, wovon doch einige positiv sind. 2011 fanden die Analytiker in 150 von 6700 Proben verbotene Substanzen. Auftraggeber sind internationale Sportverbände. Gearbeitet wird nach dem Regelwerk der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada. Das heißt: Der Urin wird in eine A- und eine B-Probe aufgeteilt. Beide Laborgläser werden versiegelt und mit einem Code versehen. Gmeiner: "So arbeiten wir an anonymisierten Proben."

Automatisierte Abläufe

A kommt direkt zur Analyse ins Labor, B kommt in den Tiefkühler. Sollte A positiv sein, dann hat der Sportler das Recht, die B-Probe in seiner Anwesenheit öffnen und analysieren zu lassen. Im Normalfall wird die erste Untersuchung dadurch bestätigt. Danach wird an den Auftraggeber berichtet. "Das Ergebnis einer automatisierten Arbeit ist ein CSV-File." Darin wird nur beschrieben, was gefunden wurde. "Ich werde mich hüten, irgendwelche Wertungen abzugeben. Mich interessiert die Probe. Wie das Dopingmittel da hineinkam, darüber müssen andere urteilen", sagt Gmeiner, der im Alltag des faktenorientiert arbeitenden Dopinganalytikers natürlich auch eine moralische Komponente sieht. " Selbstverständlich wollen wir zu einem sauberen Sport beitragen und jene schützen, die nichts nehmen, aber in der Öffentlichkeit oft mit dem Vorwurf des Dopings konfrontiert sind." Betroffen sind derzeit vor allem Radfahrer, Leichtathleten und Langläufer. "Im Fußball wird auch gedopt. Da bringt es aber weniger, weil man dazu nicht allein Kraft und Ausdauer, sondern auch Technik braucht."

Belastende Zeugenaussagen

Mit dem aufsehenerregenden Fall des Radfahrers und Triathleten Lance Armstrong war das Labor in Seibersdorf nicht beschäftigt. Hier zeigte sich, dass der "Kampf gegen Doping nicht allein mit Analysen geführt werden kann", wie Gmeiner meint. Proben von Armstrong wurden zwar einige Jahre nach einem Tour-de-France-Gewinn positiv getestet. Da er aber nicht die Möglichkeit hatte, dabei zu sein, war dieses Ergebnis nicht ausreichend, um gegen den Sportler aktiv zu werden. "Deshalb hat man Zeugenaussagen und sogar Aussagen von Radfahrern, die sich selbst belasten, eingeholt."

Die Seibersdorf Laboratories arbeiten wie alle von der Welt- Anti-Doping-Agentur Wada akkreditierten Labors auch an der Verbesserung der Analysemethoden. Denn die Dopingsünder suchen immer neue Methoden, um bei Kontrollen nicht ertappt zu werden. Allein das im Radsport häufig verwendete Epo (Erythropoetin) gibt es in "sicher hundert Varianten", sagt Gmeiner. Von der Pharmaindustrie eigentlich als Therapeutikum für die Behandlung von Blutarmut entwickelt, wurde die Substanz durch ihren Missbrauch berühmt.

Epo-Analysen sind aufwändig und dauern daher etwa drei Tage. Im Fall des österreichischen Radsportlers Bernhard Kohl wurde die Substanz lange nach seinem dritten Platz bei der Tour de France nachgewiesen. Was auch jedem anderen gedopten Sportler blühen kann: Die Proben werden in Kühlschränken gelagert. So können zu einem späterem Zeitpunkt mit neuen Analysemethoden nochmals Stichproben durchgeführt werden.

Auf diese Weise wurden zuletzt acht weitere Sportler erwischt, die während der Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking verbotene Substanzen zu sich genommen haben.

Wohin mit all den tiefgefrorenen Urinfläschchen? Diese logistische Frage stellt sich für Gmeiner nicht. "Wenn man sich entschließt, auch alte Proben nochmals zu analysieren, dann wird man den Platz schaffen." Scherzhafter Nachsatz: "Irgendwann hat man sich schon überlegt, alle in den Polarregionen zu lagern."

Die viel wichtigere Frage sei, wie man Doping durch Substanzen nachweist, die im Körper vorkommen. "Das ist die Königsdisziplin." Eigenblut zum Beispiel verbessert den Sauerstofftransport im Körper und damit die Leistung. Blutpässe, in denen diese Werte regelmäßig aufgezeichnet werden, sollen einen Missbrauch verhindern. Auch Testosteron kann mit komplexen Verfahren nachgewiesen werden. Das Hormon, das bei Männern in höherer und bei Frauen in niedrigerer Konzentration auftritt, beschleunigt den Muskelaufbau.

Ein Sportler, mit dem Vorwurf Testosteron-Doping konfrontiert, habe eine besonders einfallsreiche Ausrede gefunden, erzählt Gmeiner. Die Schwiegermutter, die unbedingt ein Enkelkind wollte, soll ihm die Substanz in den Orangensaft gemischt haben. (Peter Illetschko, DER STANDARD, 14.11.2012)

Wissen: Dienstleister für Analytik

Die Seibersdorf Laboratories GmbH ist eine hundertprozentige Tochter des Austrian Institute of Technology (AIT). Die als Dienstleistungsunternehmen aufgestellte Gesellschaft beschäftigt sich nicht nur mit Dopinganalysen. In Seibersdorf wird auch Forensik betrieben (zum Beispiel beim Fall der vergifteten Bonbonniere für den Bürgermeister von Spitz), in weiteren Abteilungen sind radioaktive Strahlung, elektromagnetische Verträglichkeit, aber auch Lasersicherheit und die Verträglichkeit von Arzneimitteln wie Radiopharmaka die Themen.

Die Eigentümer des AIT sind das Verkehrsministerium und die Industriellenvereinigung. (red)