Aino Jawo und Caroline Hjelt krachen mit ihrem Hit "I love it" in die Herzen der Weltjugend.

Foto: Fredrik Etoall

Eine zentrale Botschaft, die das Herz der Jugend 2012 nach wie vor ungebrochen zu erreichen imstande ist, klingt so: "I don't care, I love it!"

Bevor der Mensch dazu gezwungen wird, Verantwortung für sich und sein Leben zu übernehmen, muss auf jeden Fall einmal der Fluchtgedanke auf dem Plan stehen. Lass die Leute reden, hör ihnen nicht zu. Verweigere Vernunft, Sachzwänge und die Zumutungen eines geregelten Tagesablaufs.

Deshalb befindet sich das schwedische Duo Icona Pop seit dem Sommer auch so erfolgreich auf dem Kurs hin zur immerwährenden Party. Ihr erster und möglicherweise auch einziger Hit "I love it" dauert zwei Minuten und 35 Sekunden. In denen wird alles gesagt, was es zu diesem Thema zu sagen gibt.

Die Eltern mögen die Argumente und das beliebte Hilfsmittel der schwarzen Pädagogik haben. Die Jungen aber haben nicht nur die Jugend, Jux und Tollerei auf ihrer Seite, sondern auch das Recht, gewisse Dinge nicht in Ordnung zu finden. Weil zu diskutieren ziemlich anstrengend und das Fenster zu öffnen und Zeug, das man nicht haben will, hinauszuschmeißen irgendwie effektiver ist, funktioniert die kalte Abfuhr seit Jahrzehnten: Mir ist das egal - und es gefällt mir so!

Verdienterweise schießt der kleine, flotte und sich direkt in die Synapsen fräsende Elektroschlager mit dem Extrawums Rhythmus nach Erfolgen im skandinavischen Raum derzeit in diversen Legalanschaffungscharts wie iTunes auf die Spitze.

Aino Jawo und Caroline Hjelt sehen sich mit ihrem unter Mithilfe der geistesverwandten britischen Synthetikpopgöre Charli XCX gebastelten Hit in der Tradition etwa der für Elvis Presley geschriebenen Wurschtigkeitsbehauptung von Leiber und Stoller. Ihr Song "Baby, I Don't Care" stand hier ebenso Pate wie das kariesgeschädigte Blecken der Sex Pistols oder der Ramones in den 1970er-Jahren - oder das Schaffen der Spice Girls in den 1990er-Jahren.

Für Renitenz mag man zwar irgendwann die Rechnung präsentiert bekommen, aber: "You're on a different road, I'm in the milky way / You want me down on earth, but I am up in space / You're so damn hard to please, we gotta kill this switch / You're from the 70's, but I'm a 90's bitch!"

Gearbeitet wird bei Icona Pop mit einfachen Mitteln. Statt einer E-Gitarre fräst ein Ballermann-Techno- und Rave-Synthesizer ein zünftiges Rock-'n'-Roll-Riff im Vierviertelrhythmus. Gesungen wird spice-girlig synchron - mit jeder Menge Hall zur Unterstützung der dünnen Stimmen. Synchron im Sinne von: ungefähr gleich und gleichzeitig.

Dabei entsteht nicht zwangsweise ein in seinen Einzelteilen gut bekanntes Statement zur Frage, ob es sich bei einer Collage um das Rückzugsgebiet kompositorisch nicht gerade hochbegabter KünstlerInnen handle. Pop und Originalität sollten gegen Ende des Maya-Kalenders bittedanke endgültig ein unvereinbares Begriffspaar sein. Man macht schließlich keine Kunst, man findet sie.

Derzeit stellen Icona Pop mithilfe einschlägig für Kolleginnen wie Robyn, Ellie Goulding oder Kylie Minogue arbeitender Produzenten in London ihr Debütalbum fertig. Man darf gespannt sein, ob sich das Duo dabei nicht nur seine herzerwärmende Unverfrorenheit beibehält, sondern auch den Charme einer zu Hause scheinbar im eiligen Schluderverfahren hingerotzten Musik, die nichts weniger als gute Laune verbreitet: "I got this feeling on the summer day when you were gone. I crashed my car into the bridge, I watched, I let it burn! I don't care, I love it!"

Das Beste, das wir jetzt tun können, ist Tanzen. (Christian Schachinger, Rondo, DER STANDARD, 16.11.2012)

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