Andreas Kolde: "Wir haben jetzt mehr Bankkunden als zuvor"

Foto: Steyler

derStandard.at: Herr Kolde, was genau kann man sich unter einer Missionsbank vorstellen?

Andreas Kolde: Die Grundidee unseres Instituts ist es, mit dem Bankgeschäft Gewinne zu erwirtschaften, mit denen die humanitäre Arbeit des katholischen Steyler-Ordens und damit viele weltweite Bildungs-, Frauen- und Gesundheitsprojekte finanziell unterstützt werden.

derStandard.at: Ist dabei das primäre Ziel, die Betroffenen den christlichen Glauben näher zu bringen?

Kolde: Missionierung hat ja fast eine mittelalterliche Konnotation, viele stellen sich vor, dass da Menschen mit Gewalt gezwungen werden, einen anderen Glauben anzunehmen. Ich denke, von solchen Vorstellungen muss man sich lösen. Unserem Orden geht es in seiner Arbeit vor allem darum, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind und Hilfe benötigen. Damit will die Gemeinschaft der Steyler einen christlichen Auftrag erfüllen und durch ihre humanitäre Arbeit Menschen in Not die Liebe Gottes näher bringen. Für diese Anliegen des Ordens arbeiten in über 70 Ländern rund 10 000 Ordensmänner und Frauen. Um Gerechtigkeit und Fairness sind wir aber nicht nur in den humanitären Projekten bemüht, sondern auch in unserem täglichen Bankengeschäft.

derStandard.at: Auf welche Weise?

Kolde: Unsere Investitionen folgen einem klar definierten Konzept, dass sich nach dem so genannten Frankfurter-Hohenheim Leitfaden richtet. Er wurde in den Neunzigerjahren entwickelt und definiert Kriterien für nachhaltiges Wirtschaften. Diese werden wiederum von der Öko-Ratingagentur oekom research überprüft. In der Praxis gibt es 20 Untersuchungsfelder und 200 Kriterien, nach denen in Firmen, in die wir investieren, bezüglich der Aspekte Umwelt, Soziales und Kultur untersucht werden.

derStandard.at: Welche Konsequenzen hat das für Ihr Geschäft?

Kolde: Unsere Bank war schon immer konservativ, was die Veranlagung angeht. Wir suchen uns die Bereiche, in die wir investieren, sehr genau aus. Dementsprechend ist unser Geschäftskonzept nicht sehr dynamisch, das bedeutet etwa, dass wir grundsätzlich keine Spekulation betreiben. Trotzdem leisten wir ansonsten alles, was auch eine herkömmliche Vollbank tut. Bei uns kann man sein Gehaltskonto, ein Sparbuch oder eine Sparbrief mit marktüblichen Zinsen führen. Durch diese kann man sich bei uns auch aktiv an der humanitären Arbeit beteiligen.

derStandard.at: Wie?

Kolde: Es gibt die Möglichkeit, als Kunde seine Zinsen zum Teil oder gänzlich in die Finanzierung von Projekten der Steyler-Missionare fließen zu lassen. Diese Möglichkeit ist freiwillig, wird aber rege in Anspruch genommen, rund 50 Prozent unserer Kunden haben bereits eine solche Vereinbarung mit uns getroffen.

derStandard.at: Haben ihre Projekte unter der Wirtschaftskrise gelitten?

Kolde: Im Gegenteil, wir haben jetzt mehr Bankkunden als zuvor, in den vergangenen drei Jahren haben wir Zuwächse im zweistelligen Bereich gehabt, wir werden hierzulande demnächst sogar die 3.000-Kunden-Marke erreichen. Unsere Kundenstruktur wird breiter, diese Tendenz beobachten wir schon eine Weile.

derStandard.at: Inwiefern?

Kolde: Früher waren unsere Kunden sehr stark aus dem Umfeld des Steyler-Ordens, ein sehr katholisches Milieu. Heute sind diese immer noch ein Kern unserer Kunden, aber es gibt neue Menschen, die wir ansprechen, die nichts mit der Kirche zu tun haben und sogar ausgetreten sind. Trotzdem unterstützen sie uns und unsere Idee. Weniger, weil sie um ihr eigenes Geld fürchten würden, sondern weil viele das Bedürfnis haben, mit ihren Spareinlagen sozial etwas Gerechtes bewirken zu wollen.

derStandard.at: In der islamischen Welt gibt es das Konzept des so genannten islamic banking, das auf den ethischen Vorgaben der Scharia fußt. In wieweit unterscheidet es sich inhaltlich von Ihrem Konzept?

Kolde: Bei uns gibt es zwar nicht das allgemeine Zinsverbot wie bei den Muslimen und wir sind auch nicht so streng bei Betrieben, die Alkohol herstellen. Aber wir haben viele Gemeinsamkeiten, ganz allgemein gesprochen den Wunsch nach mehr Verteilungsgerechtigkeit. Konkret bedeutet das zum Beispiel das Verbot von Spekulationen oder Glücksspiel. Und selbst der Papst sieht im islamic banking eine gute Möglichkeit des gerechten Wirtschaftens. (Nina Brnada, derStandard.at, 19.11.2012)