Welch eine Koinzidenz! Zur selben Zeit, in der der ehemalige Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) früh seinen Rückzug aus der Politik ankündigt, gibt sein Nachfolger im Ressort, Reinhold Mitterlehner (ÖVP), der Öffentlichket ein spätes Erleuchtungserlebnis bekannt. "Ich bin überzeugt, dass beim Kauf der Abfangjäger nicht alles sauber gelaufen ist", ließ er die Nation wissen, was Bartensteins Aussage, es gäbe keinerlei Hinweise, dass es bei den Eurofightern zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, nachhaltig ins Zwielicht rückt. Nun ist die Wahrheit, wie man in Österreich seit Andreas Khol weiß, eine Tochter der Zeit, aber wie sprunghaft Zeit vergehen kann, wenn sich die Wahrheit von ihr emanzipiert, kommt selbst hierzulande ein wenig überraschend.

Es wäre ein schnöder Verdacht, deutete man Bartensteins Rückzug in den Schoß des familiären Pharmabetriebes als Flucht vor der (Mit)Verantwortung in einer Phase der Zeitgeschichte, in der endlich sogar die Justiz zu vernehmen scheint, was die Spatzen über den Eurofighter-Deal seit Jahren von den Dächern pfeifen. Ohnehin nicht zum Seher geboren, machte er aus seinem schweren Augenleiden - schwarz-blauer Star - nie ein Geheimnis. Gegen den ist nun einmal kein Kraut gewachsen ist, also nimmt er ihn als besondere Begabung lieber in die Teilzeitrente mit, als diese einem Vergleich mit der plötzlichen Hellsichtigkeit seines Nachfolgers auszusetzen.

Krachende Unschuldsvermutung

Mitterlehner stützt seinen Verdacht auf die Tatsache, dass die Personen, die an der Entscheidung zum Kauf der Flugzeuge beteiligt waren, ihre zuvor hart verteidigte Bevorzugung eines anderen Modells binnen weniger Tage zugunsten der Abfangjäger geändert haben. Der Verdacht kommt ihm in dieser Deutlichkeit spät, ist er doch schon unmittelbar nach dieser wundersamen Wandlung der Geister aufgetaucht. Nur Bartenstein, dem Reinen, ist noch immer alles rein. Da kracht die Unschuldsvermutung.

Dass sie nun von einem Mann aus der eigenen Partei und einem Nachfolger im Ressort getrübt wird, deutet darauf hin, dass Bartensteins Beteuerungen, er könne sich gar nicht erklären, warum jetzt Ermittlungen aufgenommen wurden, der Volkspartei bei ständig heißer werdenden Spuren von Schmiergeldzahlungen allmählich peinlich werden. Und umso peinlicher, als die Eurofighter-Affäre auch in Deutschland für unliebsames Aufsehen und für politische Probleme sorgt, womit sie nicht mehr einfach als innenpolitisch motivierte, aber haltlose Fantasie eines Peter Pilz abzutun ist.

In der ÖVP mag man gehofft haben, im kaltschnäuzigen Schweigen ihres früheren Parteiobmanns und politisch Hauptverantwortlichen, Wolfgang Schüssel, die Methode zu finden, geeignet, Gras über die Affäre wachsen zu lassen. Sie hat sich der unseligen Erbschaft von Schwarz-Blau nie entschlagen, und nun, im Jahr vor den Wahlen droht ihr das Geerbte um die Ohren zu fliegen. Alles auf die Geldgier Jörg Haiders und seiner politischen Entourage abzuwälzen, wird nicht reichen, ihre Mit-, ja Hauptschuld zu verwischen. Auch mit dem Absetzversuch Mitterlehners wird es nicht getan sein. Die Bereitschaft zu Aufklärung müsste schon deutlicher ausfallen. (Günter Traxler, DER STANDARD, 16.11.2012)