Ziemlich schnell verloren, nicht wie ein Produkt auf Knopfdruck herstellbar: Vertrauen. Aber das Fördern von Optimismus hilft allerdings dem Gedeihen des Vertrauenspflänzchens. Gfk-Chef Rudolf Bretschneider.

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Vertrauen wird überall gebraucht. Ständig zu überprüfen, ob man den Vorgesetzten, Freunden, Ärzten, Wissenschaftern auch trauen kann, ist praktisch unmöglich. "Auch für habituelle Skeptiker", wie Rudolf Bretschneider, oberster Gfk-Marktforscher, am Donnerstag im Tagungszentrum Schönbrunn sagte. Dorthin hatte das Hernstein-Institut zum Jahressymposium geladen.

Dass die Beschäftigung mit Vertrauen derzeit so intensiv verläuft, deutet für ihn schon auf eine "Verlustanzeige" hin. Untersuchungen seines Institutes bestätigen das auch: Die Vertrauenswerte insgesamt sind nicht sehr hoch. Nicht alle haben gleich viel verspielt. Allein: "Herstellen" wollen es alle am liebsten rasch und in Konstanz.

Aber zum Beginn, denn schon darin liegt die Beseitigung eines Missverständnis für Bretschneider: Vertrauen, das sei ein Verbum, ein Akt. Es lasse sich wohl hübschsubstantivieren und erscheine dann plötzlich als ein verfügbares Gut. Das sprachliche Gebilde täusche ein Produkt vor, das man herstellen, gestalten, sogar "fabrizieren" könne.

Krise 

Es handle sich aber tatsächlich um einen Akt, so Bretschneider. "Vertrauen auszubilden, das definitionsgemäß zur Stabilisierung unsicherer Erwartungen und zur Verringerung der Komplexität menschlichen Handelns und Entscheidens beiträgt, ist in der Moderne schon unter Normalbedingungen schwer, und erst recht, wenn eine Krise hereinbricht."

Die allgemeine Krisenlage in den Köpfen bringe naturgemäß weitere Erschwernis: Wer soll den Banken vertrauen, wenn sie einander nicht trauen? Dazu sei Epiktet zitiert: "Die Ansichten und Sorgen anderer Menschen können ansteckend sein. Beschädige dich nicht durch die unfreiwillige Übernahme negativer Haltungen." Schwer in Zeiten medialer Gleichklänge und allgemeiner Krisengespräche.

Andererseits ist das, was Firmen und Manager sich wünschen, nämlich dass man ihnen vertraut, keine unentdeckte Geheimwissenschaft: Kompetenz, Verständlichkeit, Glaubwürdigkeit, die Wahrnehmung von Commitment gehören basal dazu. Auch das Eingestehen von Fehlern (nicht allzu oft, aber ...). Dazu Berechenbarkeit. Allesamt nebstbei auch Ingredienzen guter Führung.

Frage nach dem Wie

Die gute Nachricht, für alle, die gerade hart kämpfen: "Vertrauen entsteht häufig nachhaltig in kritischen Situationen." Dass Unternehmen behaupten, Kunden stünden im Mittelpunkt, ist nicht neu, aber, so Bretschneider: "Gerade in Krisenzeiten müssen Kunden merken, dass sie nicht alleingelassen werden, weil das Unternehmen im Hintergrund kämpft." Da lasse sich mit dem Wie des Umgangs nachhaltig punkten.

Explizite Werbung für mehr Vertrauen hält er für problematisch und zitiert Nestroy: "Vertraut auf mich. Wenn sich die Lage bessert, dann kann noch alles gut werden."

Auch von Medien erwartet er keine vertrauensbildenden Impulse - im Wesentlichen, weil sie die Komplexität der Welt vorführen - von schmelzenden Polkappen bis unerklärlichen Stromausfällen. Das lasse eher das Gefühl zurück, nicht zu verstehen, sich nicht orientieren zu können, nicht vertrauen zu können.

Was aber konkret befördert Vertrauen? "Wie immer ist es leichter, ein Phänomen wie Vertrauensverlust in der modernen Gesellschaft zu diagnostizieren, als Therapien vorzuschlagen", sagt Bretschneider. Es helfe wohl, wenn man verstehe, warum etwas passiert. Gelegentlich führe aber mehr Verstehen auch zu mehr Misstrauen.

Verantwortung

"Vertrauenserweckend ist, wenn man wahrnimmt, dass jemand, ein Mensch, eine Institution, die man für kompetent und ehrlich hält, Verantwortung übernimmt. Dafür kommen zunächst Menschen und Institutionen infrage, die durchschaubar in ihren Absichten und berechenbar in ihrem Handeln sind."

Kollegen und Vorgesetzte, die solchen Anforderungen genügen, würden also mehr Vertrauen genießen als Macher, deren Motive schwer erkennbar und deren Entscheidungen nicht nachvollziehbar sind.

Vertrauen hänge aber auch von inneren Gegebenheiten der Menschen ab - eine optimistische Grundeinstellung etwa sei förderlich für das Vertrauenkönnen und -wollen.

"Man könnte vereinfachend sagen: Wer den Optimismus glaubhaft stärkt, fördert das Vertrauen." Zugegeben schwer umzusetzen, noch dazu in einem Land, in dem Verbalpessimisten als besonders klarsichtig gelten, fügt Bretschneider an. Und: Das Erlernen von Optimismus sei eine lebenslange Übung. Mache aber deutlich "resilienter". (Karin Bauer, DER STANDARD, 17./18.11.2012)