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Mit frenetischem Jubel reagierten in Zagreb tausende  Kroaten auf den Freispruch für ihre "Helden" Ante Gotovina und Mladen Markac.

Foto: AP/Solic

Man sieht sich von der Last, ein Land von Kriegsverbrechern zu sein, befreit. Doch es gibt auch kritische Stimmen.

 

Der Freispruch der ehemaligen kroatischen Generäle Ante Gotovina und Mladen Markac durch das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag führt in Kroatien zu nationalen Gefühlsaufwallungen und zementiert eine zweifelhafte Geschichtsdeutung. Ein Betrunkener tanzt, eine kroatische Fahne schwenkend, auf dem Hauptplatz von Zagreb. "Wir sind stolz, wir sind glücklich!", ist von allen Seiten zu hören. Wo sonst Marktfrauen Blumen verkaufen, marschieren nun hochgewachsene Uniformierte - als hätten sie einen Krieg gewonnen. Das Boulevard-blatt 24 sata hat eine Sonderausgabe gedruckt mit dem Titel Helden.

"Es ist ein historischer Tag", sagt ein Ex-Soldat, der "Gotovina persönlich kennt" und mit ihm während der Operation Oluja im August 1995 gekämpft haben will. "Jetzt, da die Generäle frei sind, ist auch meine Seele frei", sagt er und nimmt einen Schluck Bier.

Bei der Operation Oluja (Sturm) wurde jenes Drittel des kroatischen Staatsgebiets, das seit dem Krieg 1991 von serbischen Truppen besetzt war, durch das kroatische Militär zurückerobert. Dabei wurden mehr als 300 serbische Zivilisten ermordet und mehr als 90.000 gewaltsam vertrieben. Der ehemalige Soldat, der seinen Namen nicht nennen will, räumt ein, dass es nach Oluja Verbrechen gegeben haben könnte. "Ich habe einiges gehört", sagt er.

Sein Sohn schreibt ihm eine SMS: "Wir fahren nach Pakoštane zum Feiern." Das ist der Geburtsort von Gotovina. Der Heldenkult kann wieder aufgewärmt werden.

Auch Präsident Ivo Josipovic betont, dass Kroatien einen "gerechten Verteidigungskrieg" geführt habe. "Die Generäle haben acht Jahre unschuldig im Gefängnis verbracht", so Josipovic. Als Oberbefehlshaber der Heeres bedanke er sich "für das Opfer".

Premier reagiert nüchtern

Um einiges nüchterner reagiert Premier Zoran Milanovic: "Es handelt sich offenbar um zwei unschuldige Leute. Das heißt aber nicht, dass es keine Fehler in diesem Krieg gegeben hat, wofür der Staat Kroatien schuldig ist - aber nicht Gotovina und Markac." Tatsächlich haben die Haager Berufungsrichter nicht gesagt, dass es während der Operation Oluja keine Kriegsverbrechen gab, sondern haben viel mehr festgestellt, dass der Tatbestand der Bildung einer "gemeinsamen verbrecherischen Unternehmung", zur dauerhaften und gewaltsamen Vertreibung der Serben aus der Krajina nicht nachgewiesen werden konnte.

Ein zweiter wichtiger Punkt des Urteils betrifft den Artillerie-Beschuss der Stadt Knin in der Krajina: Dieser sei nicht gesetzes widrig gewesen. In einem ersten Urteil 2011 waren Gotovina und Markac wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu 24 und 18 Jahren Haft verurteilt worden.

Kurz nach dem Urteil wurden die Generäle freigelassen, sie flogen gleich Richtung Zagreb.

Die Folgen des Urteils betrachten Politologen wie Vedran Dzihic äußerst kritisch. Die Meinung, dass es sich bei dem Haager Tribunal um ein "politisches Gericht" handle, sei nun bei vielen Serben einzementiert. "Eine Annäherung von Kroatien und Serbien ist damit nicht möglich." Dzihic spricht von einem "autoritären Code", der durch das Urteil bestärkt werde. Rechtlich sei das Urteil "sauber", so Dzihic, aber es sei nicht gut vorbereitet gewesen. (Adelheid Wölfl aus Zagreb /DER STANDARD, 17.11.2012)