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Die ÖBB verliert Fracht, sieht ihre Gütersparte RCA bei der Sanierung aber viel besser unterwegs als geplant.

Foto: APA/Jaeger

Wien - Die Abwanderung von Kunden zu privaten Eisenbahnunternehmen (EVU) bringt offenbar Nervosität in der ÖBB-Gütersparte Rail Cargo Austria (RCA). In einem Managementpapier von Anfang November räumt die RCA-Führung ein: "RCA verliert überproportional Tonnage an Dritt-EVU."

Demnach kalkuliert RCA heuer mit einem Rückgang des Frachtvolumens um 7,3 Prozent (in Bruttotonnenkilometern) oder neun Prozent Zugkilometer. Ein Teil davon ist wohl dem insgesamt rückläu figen Schienengüterverkehr geschuldet. Allerdings legten laut RCA-Papier Drittanbieter bei der Tonnage um 10,2 Prozent zu. Das operative Ergebnis (Ebit) der für Vertrieb zuständigen ÖBB-Spedition Ex-IF halbierte sich in den ersten neun Monaten 2012 von 8,2 auf 3,9 Millionen Euro. Nun ist eine Vertriebsoffensive geplant.

ÖBB-Holding-Chef Christian Kern relativiert die Zahlen: Der RCA-Marktanteil sei lediglich von 84,6 auf 84,2 gefallen, nur ein kleiner Teil an EVU gegangen, ein größerer auf die Straße. Dass besorgniserregend viele Kunden abwanderten - "Unzufriedene Key Accounts drohen mit Alternativangeboten", heißt es in den Unterlagen wörtlich -, stellt Kern in Abrede. Das sei nach Preiserhöhungen und Schließung von Verladestellen logisch, aber man habe auch Kunden (Nestlé, Gebrüder Weiss) gewonnen. "Entscheidend ist das Ergebnis, nicht der Umsatz."

Den im Forecast aufs Jahr hochgerechneten Ebit-Rückgang bezeichnet Kern als "Luxusproblem". Denn der RCA-Konzern sei 2012 operativ deutlich besser: Statt 12,6 Mio. sei die Ebit-Ziellinie nun bei 26 Millionen. Intern war im Juni aber ein Jahresziel von 54 Mio. angepeilt worden, was in der aktuellen Vorstandsinfo aber als "unrealistisch" bezeichnet und auf 47,7 Mio. reduziert wurde. Die Differenz, im Papier "Reserve" genannt, wird in Summe um 6,5 Mio. kleiner - wegen der Italien-Verluste, der Vorsorge für allfäl lige Stückgut-Kartellstrafen und der Folgen der Güterzugentgleisung in Brixen (2,5 Mio. Euro).

Stichwort Brixen: Die defekten Radsätze waren möglicherweise kein Einzelfall. Auch in Österreich gab es ein Zugunglück, das Fragen aufwirft: Im Oktober 2011 verlor ein ÖBB-Güterzug in Himberg in Niederösterreich Fracht. Nach etwa dreißig Kilometern Fahrt kullerten Rüben aus dem fahrenden Zug. Besser gesagt, sie wurden laut Zeugen wie Geschoße aus dem Waggon geschleudert, weil der Verschluss der Ladedrehtüre aufgegangen war. Drei auf dem Bahnsteig in Himberg wartende Personen wurden durch Knollen verletzt. Die Staatsanwaltschaft Korneuburg ermittelte wegen Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung.

Diese Ermittlungen - dem Verschubleiter wird angelastet, die Tür mangelhaft gesichert zu haben - erhalten durch Brixen Brisanz. Denn auch der "Rübenbomber" wurde beim slowakischen ÖBB-Partner }OS in Trnava revisioniert, zuletzt am 10. Juli 2009. Im Juli 2011 befand die ÖBB-Servicestelle Linz die Türverschlusssicherung als in Ordnung. Ob gründlich genug, wird in der Hauptverhandlung zu klären sein.

Denn Edwin Mächler, der Anwalt des Beschuldigten, will die von der Justiz angebotene Diversion ausschlagen. Er verlangt angesichts der Probleme mit Revision in der Slowakei weitere Prüfungen und die Dokumentation der Wagenuntersuchungen. Der von der ÖBB als "leichtgängig" beschriebene Sicherungsbolzen der Ladetür könnte sich durch die Tonnen an Rüben und "unruhige Streckenführung" selbst gelöst haben, sagt Mächler. ÖBB-Sprecherin Sonja Horner betont, dass der Rübenzug vollständig geprüft und für in Ordnung befunden wurde. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD; 17./18.11.2012)