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Silvio Berlusconi und Nicolas Sarkozy bei der Damenschau 2009 beim G-8-Gipfel in L'Aquila.

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General David Petraeus wurde den hohen moralischen Ansprüchen der puritanischen USA nicht gerecht, ...

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...Präsident Bill Clinton (mit Monica Lewinsky) auch nicht.

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Dominique Strauss-Kahn vor Gericht.

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Wien - Lyndon B. Johnson hatte einige exzentrische Angewohnheiten. Der Nachfolger John F. Kennedys im Amt des amerikanische Präsidenten pflegte Besprechungen nicht zu unterbrechen, sobald ihn ein plötzlicher Drang ereilte. Er setzte sie bei offener Toilettentür direkt von der Kloschüssel aus fort. Seinen Penis nannte er kollegial "Jumbo". Und um einen guten Spruch zu passender Gelegenheit war der Texaner niemals verlegen: "Hat man einen Mann an seinen Eiern, fliegen einem auch sein Herz und sein Verstand zu", sagte er gerne. Oder: "Ich traue einem Mann erst, wenn ich seinen Schniedel in der Tasche habe."

Johnson mag kein Poet gewesen sein. Aber er war ein Meister der Macht. Er hatte wie wenige andere begriffen, dass Macht mit dem unbedingten Willen zusammenhängt, sich rücksichtslos zu nehmen, was als notwendig erscheint. Und er wusste, dass damit zuweilen unkalkulierbare Risiken einhergingen - vor allem, wenn die Macht ihrem eineiigen Zwilling, dem Sex, über dem Weg läuft. So sind in der Politik Sexskandale mindestens so häufig anzutreffen wie gebrochene Versprechen.

"Hohe Risikobereitschaft ist die essenzielle Eigenschaft für die erfolgreichsten führenden Politiker und Figuren des öffentlichen Lebens" , erklärte Frank Farley, Psychologe an der Temple University in Philadelphia mit Blick auf den gefallenen IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn. Das mag auch auf den aktuellen Fall um General David Petraeus, der die USA seit Tagen beben lässt, zutreffen.

Weitere Ingredienzien dieser Affären sind immer: Einsamkeit, Langeweile, Übermut, Narzissmus, Egozentrik, Druck und ein Sextrieb, der auf der Höhe übergroßer Egos sein muss. Alphatiere begnügen sich nicht mit dem Gewöhnlichen. Da darf es gerne ein bisserl exzessiver sein.

Neue Standards in Sachen Untreue setzte John F. Kennedy, Johnsons einstiger Chef. Er hatte Affären mit Praktikantinnen im Weißen Haus, Prostituierten, Mafia-Bräuten, Journalistinnen, Sekretärinnen und Schauspielerinnen. Marilyn Monroe, seine berühmteste Geliebte, hauchte ihm im Mai 1962 bei der Feier zu seinem 45. Geburtstag im Madison Square Garden quasi vor der Weltöffentlichkeit ihr "Happy Birthday, Mr. President!" ins Mikro.

Für seinen Damenbesuch ließ er im Weißen Haus einen Swimmingpool einbauen. Laut Seymour Hersh (The Dark Side Of Camelot) waren Kennedys Amouren zu einem ausgewachsenen nationalen Sicherheitsrisiko geworden, die früher oder später an die Öffentlichkeit gelangt wären. Doch dem kam Harvey Lee Oswald, der Mörder des Präsidenten, 1963 zuvor.

Waisenknaben gegen JFK

Gegen JFK wirken alle seine Amtskollegen wie Waisenknaben, obwohl sie es auch nicht unbedingt genau nahmen mit der ehelichen Treue: Bill Clinton wurde wegen seiner Begegnungen mit Monica Lewinsky im "Oral Office" beinahe des Amtes enthoben. Dwight D. Eisenhower hatte ein Gspusi mit seiner britischen Fahrerin. Franklin Delano Roosevelt starb nicht in den Armen seiner Ehefrau Eleanor, sondern in jenen seiner Geliebten und Sekretärin. Der alte George Washington holte sich den Erkältungstod, als er sich auf der Flucht vor einem gehörnten Ehemann mit Hechtsprung aus dem Fenster in den Schnee in Sicherheit bringen musste. Und ja, Johnson, über den sagte seine Frau Lady Bird: "Lyndon liebt die Menschheit. Mehr als die Hälfte der Menschheit sind Frauen."

Aufgeflogen sind diese Eskapaden in den USA relativ oft. In Italien oder Frankreich gehören sie quasi zum guten Ton und werden toleriert. Silvio Berlusconi musste 2011 nicht wegen seiner Sexgeschichten zurücktreten, sondern weil die Zinsen italienischer Staatsanleihen untragbar hoch geworden waren. François Mitterrand hatte öffentlich eine Geliebte und eine uneheliche Tochter.

In Großbritannien, dem Mutterland der Sexskandale, übt man nicht so viel Rücksicht - allein schon der Boulevardblätter wegen. Das "Urmeter" der Affären trug sich in den 1960ern zu: John Profumo, der Kriegsminister, musste 1963 gehen, weil er mit dem Callgirl Christine Keeler eine Affäre hatte - sie war gleichzeitig mit einem russischen Spion zusammen.

"Wenn der Narzissmus dieser Überflieger nicht mit einer guten Portion Demut gepaart ist, dann geraten sie alle in Schwierigkeiten", diagnostiziert Robert Weiss vom Sexual Recovery Institute in Los Angeles. Demut? Mit Macht verträgt sich das nicht so recht. (Christoph Prantner, DER STANDARD, 17.11.2012)